Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Fingernagel und der beschlagene Metallspiegel, der Weihrauch in der Mitte des Tetragramms, das Blut des Wiedehopfs und all dieser Unsinn ...«
»Das ist, was sie zugegeben haben«, erklärte Gregor mit Betonung.
»Was willst du, Peter?«, fragte der Bischof. »Soll ich den jungen Kerl foltern lassen, damit er sein Geständnis zurücknimmt?«
»Bei allem Respekt, Exzellenz: Nach der Szene beim Vogeltor hat der Mann einfach das gesagt, von dem er glaubt, dass sein Peiniger es hören wollte.«
»Wenn er es nicht mittlerweile selbst glaubt...«
»Wäre das ein Wunder, Exzellenz?«
»Worüber diskutieren wir eigentlich?«, fragte Gregor undlächelte beschwichtigend. »Wenn er Agnes und ihre Zofe umgebracht hat, hat er den Strick verdient. Wenn er von einem Dämon besessen ist, den Scheiterhaufen. Was immer sich von beiden Geständnissen als die Wahrheit herausstellt, der Mann ist auf jeden Fall Futter für die Würmer – es kommt nur darauf an, ob ihnen das Mahl roh oder gebraten vorgesetzt wird.«
Bischof Peter verzog das Gesicht angesichts der Geschmacklosigkeit, was Gregor offenbar nicht bemerkte. Er sah vom Bischof zu mir mit der Miene eines Advokaten, der dem Richter soeben sein schlagendstes Argument vorgetragen hat.
»Er hat nicht einmal gewusst, dass es eine zweite Tote gab: die Zofe.« Mein Argument war nicht weniger überzeugend.
Gregor zuckte mit den Schultern und sah zu Boden.
»Er hat in der Zwischenzeit auch diesen Mord gestanden – ohne dass ihm der Henkersknecht die Folterwerkzeuge auch nur gezeigt hätte«, erinnerte Bischof Peter.
»Wenn Exzellenz mir eine halbe Stunde mit dem Verdächtigen geben, komme ich mit dem Geständnis wieder, dass er Jesus Christus ans Kreuz genagelt hat.«
»Hüte deine Zunge«, knurrte der Bischof, ein Grinsen unterdrückend. »Ich dulde keine Blasphemie unter diesem Dach, Herrgott noch mal!«
»Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst«, sagte Gregor. »Wir haben einen Gefangenen, der die Morde an den beiden Frauen zugibt und noch dazu aussagt, von einem Dämon angestiftet worden zu sein. Die halbe Stadt steht vor dem Rathaus und schwingt die Fäuste und verlangt, dass der Stadtvogt ihn ausliefert, damit sie ihn auf dem Rathausplatz totschlagen können. Wenn er baumelt, kehrt wieder Ruhe ein – und Wolfartshausers Seele hat auch ihren Frieden.«
»Ein Glück, dass der Stadtvogt uns den Gefangenen überlassen hat. Im Keller des Fronhofs vermutet ihn keiner.« Der Bischof lehnte sich zurück, zufrieden, dass er den Stadtvogt und den Bürgermeister zu dieser Finte hatte überreden können.
»Worauf es mir ankommt, ist die Wahrheit«, sagte ichpompös. Gregor seufzte. »Und wie willst du die rausbekommen? Wenn es stimmt, was du sagst, hat sich der Kerl vor Angst in die Überzeugung gesteigert, dass er unter dem Befehl eines Dämons steht. Wenn es stimmt, was ich und der Rest der Stadt glauben, ist er tatsächlich besessen. Und jetzt? Willst du einen zweiten Dämon beschwören, der dem ersten ein paar aufs Maul haut und ihn vertreibt, damit unser Gefangener wieder zu sich kommt und sagt: Stimmt, ich war's ja gar nicht, ich war nur Semmeln holen?«
»Es reicht«, befand der Bischof. »Wir lösen das Problem nicht, wenn wir uns hier gegenseitig verspotten. Gregor, du hast dich als ein tapferer Verbündeter gezeigt. Wenn es dein Wunsch war, dass dem Namen, den dein Vater verunreinigt hat, an meinem Hof wieder Respekt bezeugt wird, hast du dein Ziel erreicht.«
Gregor beugte den Kopf und sagte heiser: »Danke.«
»Die Stadtväter werden den Prozess in Kürze beginnen. Der Gefangene ist geständig, die Morde sind dank der gestrigen Ereignisse bis an die Herzogshöfe nach München und Landshut bekannt geworden. Peter, wenn du glaubst, irgendetwas zugunsten des Kerls da unten im Keller unternehmen zu müssen, hast du wenig Zeit. Gregor soll dir helfen – wenn Gregor Lust hat, in meinen Dienst zu treten.«
»Als Seiner Exzellenz Burggraf?«, fragte Gregor schnell.
»Als Peter Bernwards Partner«, erklärte der Bischof und zog die Brauen zusammen. »Nicht mehr – nicht weniger.«
Gregor schien zu merken, dass er dabei war, den Bogen zu überspannen. »Danke«, sagte er nochmals.
Gregors Worte hatten eine Idee in mir geweckt.
Die jungen Männer hatten sich augenscheinlich in der Dämonenbeschwörung versucht, und Wolfartshauser hatte dem, den auch ich mittlerweile »Legion« zu nennen begann, den Gedanken, von einem Dämon besessen und Agnes ermordet zu
Weitere Kostenlose Bücher