Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
gehört hatte.
Mein Herz machte einen Satz. »Ich treibe dir den Teufel aus«, sagte ich hastig und sprudelte los: »Ich befehle dir, du böse, falsche Schlange, aus der Kraft des Herrn, ich beschwöre dich im Namen des reinen Lamms, das über Nattern schreitet, das den Löwen in den Staub tritt und den Drachen: Was ich dir befehle, das tu ohne Zögern. Zittere und bebe vor Furcht, wenn der Name des Herrn erschallt, Ely, Sother, Sabaoth, den die Hölle fürchtet und dem alle Kräfte des Himmels, seine Throne und Herrschaften und alle anderen Kräfte Untertan sind, dieihn fürchten und anbeten, den Cherubim und Seraphim ohne Unterlass preisen. Er, der von der Jungfrau geboren wurde, befiehlt dir. Der Herr, der dich erschaffen hat, befiehlt dir: Was ich von dir verlange, das tue sogleich. Je länger du zögerst zu gehorchen, desto schlimmer wird jeden Tag deine Strafe sein. Ich verbanne dich, verfluchter, lügenhafter Geist, mit den Worten der Wahrheit.«
Der Mann auf dem Boden starrte mich an. Seine Augen waren weit aufgerissen und rot gerändert, sein Mund war ebenso offen zu einem lauten Schrei, den ich die ganze Zeit zu übertönen versucht hatte und der nun verstummt war. Ich gab den Blick zurück, und mir wurde eiskalt, weil ich dachte, das Leben sei aus ihm gewichen, aber dann sah ich das heftigen Heben und Senken des Brustkastens. Es war so still in der Kapelle, dass ich meinte, das Wirbeln und Quellen des Weihrauchs zu vernehmen. Mein Herz schlug in meinem Hals, meine Arme zitterten und meine weit ausgestreckten Hände waren taub. Meine Zunge klebte am Gaumen fest.
»Peter? Peter Bernward?«
Ich beugte mich langsam nach vorn und stierte Legion an, während sich alle Haare an meinem Körper aufrichteten. In jener langen Sekunde, in der mein Name in mein Hirn drang und ich sah, dass der Mann auf dem Boden nicht einmal die Lippen bewegt hatte, in jener Zeitspanne, in der die Stimme so körperlos in den Weihrauchschwaden hing wie ein eiskalter Hauch, hätte ich jeden Eid geschworen, dass es die Welt der Dämonen gab und ich von dort aus angeredet worden war. Dann hörte ich Schritte von der Eingangstür der Kapelle, und jemand war neben mir, fasste mich an der Schulter, drehte mich herum und sah mir ins Gesicht und sagte: »Um Gottes willen, Peter, was hast du getan?«
Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. Mein Herz raste so wild, dass ich kaum Atem fassen konnte. Ich sah eine hoch gewachsene, dunkle Gestalt, deren Umrisse in den Kerzenflammen zu wabern schien, als stünde sie mitten im Feuer.
»Gregor?«
»Was soll das, bei allen Heiligen?«
Ich blinzelte. Meine Lider waren wie von Spinnfäden benetzt. »Gregor«, krächzte ich. »Gregor. Warte. Ich ...«
Ich wand mich aus seinem Griff und drehte mich zu Legion um. Die Weihrauchkörner sandten eine letzte Rauchfahne in die Höhe und verglommen dann und begannen nach Verschmortem zu riechen. Die Kapelle um mich herum schwankte.
»Wer bist du?«, flüsterte ich und sah dem Mann auf dem Boden in die Augen. »Wie ist dein Name? Weißt du, wessen man dich schuldig spricht?«
»Peter, du hast doch nicht...?«
»Mein Name ...«, stammelte der Mann auf dem Boden und runzelte die Stirn. »Mein Name ...« Plötzlich lächelte er, und es wurde mir noch kälter, als es ohnehin schon war, und ich wusste, dass ich versagt hatte, noch bevor er sprach. Ich taumelte zurück und musste mich an Gregor festhalten, der vor Entsetzen so bleich war wie ein Tuch. Alles, was ich vollbracht hatte, war, den Unglücklichen noch tiefer in sein Elend zu stürzen; alles, was mir gelungen war, war, das erste Feuer an den Scheiterhaufen zu legen, der ihm nun sicher war.
»Mein Name ist Legion«, sagte er und kicherte, »und ich bin der Knecht der Finsternis.«
Im Morgengrauen weckte mich Gregor aus einem Fieberschlaf. Er führte mich schweigend in die Kellerräume des Palastes und an den Wächtern vorbei, die mit steinernen Gesichtern vor der offenen Zellentür standen und nicht wagten, uns in die Augen zu blicken.
Legion lag vor der Wand, die lange Fußkette an seinem Bein gespannt, die Arme unter seinem Körper, ein schmales Bündel Kleider, vollkommen bedeutungslos. Eine Kopie des Bildes, das ich auf den Boden der Lambertikapelle gemalt hatte, war in das Mauerwerk geritzt. Die Fliegen, die sonst auf dem Fäkalieneimer saßen, wimmelten auf Legions Leichnam.
Das Zentrum des fünften Kreises war der Eingang zur Welt der Dämonen. Legion hatte versucht, dorthin zu
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