Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
ein junger Mann mit lockigem Haar und blutigem Gesicht, schrie und stürzte auf das Pflaster, wo ihn sofort ein Hagel von Fußtritten dazu zu bewegen suchte, sich wieder aufzurappeln. Ich hörte seltsam erstickte Geräusche von dem Gestürzten und ahnte, dass der Mann vor Schmerz und Angst weinte. Der Bischof ballte die Fäuste und wandte sich von dem Weinenden ab. Er starrte mich an.
»Sie haben sie erwischt, wie sie einen Dämon beschwören wollten«, erklärte er.
Ich schluckte und versuchte, meinen keuchenden Atem zu beruhigen und gleichzeitig zu verstehen, was er mir sagen wollte. Er hatte uns nicht als seine Mitarbeiter angesprochen, und Wolfartshauser und seine Meute kannten uns nicht.Offensichtlich wollte der Bischof nicht, dass wir uns als Mitglieder seines Hofstaates zu erkennen gaben. Gregor richtete sich ächzend auf und hielt sich noch immer die Seite.
»Woher willst du denn wissen, dass gerade die deine Tochter umgebracht haben, Wolfartshauser?«, rief ich.
Wolfartshauser zerrte den zu Boden gefallenen jungen Mann in die Höhe und schleifte ihn zu dem Karren, auf dem der unsägliche Leichnam seines Kindes lag.
»Woher ich es weiß?«, kreischte er. »Woher ich es weiß? Ich weiß es einfach. Aber wenn's dir nicht genügt, Klugscheißer, ich kann's dir auch zeigen!«
»Bahrprobe!«, grölte einer seiner Freunde und trat einem anderen der herumgestoßenen Männer, als dieser auf das Pflaster fiel, so hart in die Seite, dass sicher mehrere Rippen brachen. Er sah nicht einmal hin. Er blickte zu Wolfartshauser hinüber und brüllte noch einmal: »Bahrprobe!«
Ich wechselte einen raschen Blick mit dem Bischof, der mir unverwandt in die Augen sah. Gregor beobachtete die Szene mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken, und ich bemerkte, wie sich seine Lippen bewegten und er die Aufforderung lautlos wiederholte: Bahrprobe.
Wolfartshauser stöhnte vor Wut und Besessenheit und zerrte den jungen Mann an Haaren und Gewand auf die Beine. Ich konnte hören, wie dieser dumpf »Nein, nein!«, rief, dann rammte Wolfartshauser ihm die Faust in den Bauch. Der junge Mann beugte sich ächzend vornüber, darauf griff Wolfartshauser in seinen Haarschopf und hämmerte ihn mit dem Kopf auf den Karren. Die Fackeln wackelten in ihren Halterungen.
»Bahrprobe!«, brüllte er. »Da! Bahrprobe! Das Blut meines Kindes überführt dich!« Über seine Wangen liefen Tränen. »Da! Bahrprobe, du Teufel!«
Der Karren tanzte von den Schlägen, die meisten Fackeln fielen auf den Boden, wo sie weiterflackerten; der Kopf der Toten rollte hin und her, der Mund jetzt halb offen wie die starren Augen. Der junge Mann ruderte mit den Armen und schrie vor Angst und Schmerzen. Wolfartshauser ergriff dieArme und drehte sie ihm auf den Rücken, hielt die Handgelenke mit seiner Faust umklammert und hieb den Schädel des Mannes weiter gnadenlos auf den Karren, wieder und wieder. Plötzlich ließ einer der Schläge den Kopf der Toten sich von der Unterlage heben und wieder zurückfallen. Ein Schwall Flüssigkeit ergoss sich aus dem offen stehenden Mund und über das weiße Leichentuch. Ich spürte, wie Gregor plötzlich meinen Arm packte. Wolfartshauser wich zurück und schrie auf. Dabei ließ er sein Opfer los, das schluchzend zu Boden sank und beide Arme schützend um den Kopf legte. Der Karren rollte ein kleines Stück nach vorn und kam aus dem Gleichgewicht, die Ladefläche kippte, ein Fässchen, das mir jetzt erst auffiel, geriet ins Rollen und fiel hinunter, ohne zu zerbrechen. Die Tote rutschte träge mit den Füßen nach vorn zu Boden, die umwickelten Knie knickten ein, sie rollte halb zur Seite und blieb dann mit dem Oberkörper gegen eines der beiden Karrenräder gelehnt still liegen. Der Kopf, der über die Kante der Ladefläche gerutscht war, pendelte nach unten, und ein weiterer Schwall Flüssigkeit schwappte auf den Boden.
Wolfartshauser heulte und sprang nach vorn, um den Karren aufzurichten, fiel über den auf dem Boden liegenden jungen Mann, und plötzlich schien ihm wieder einzufallen, wozu er gekommen war. Er riss etwas unter dem Karren hervor, ein Schwert, und schwang es, um es dem Gestürzten in den Rücken zu stoßen. Endlich verstand ich, was der Bischof mir hatte bedeuten wollen.
»Ihr dürft den Dämon nicht freilassen!«, schrie ich und sprang zwischen Wolfartshausers Freunde, »um Gottes willen, lasst den Dämon nicht frei!«
Wolfartshauser wandte mir sein irres Gesicht zu, das in den letzten drei Tagen um
Weitere Kostenlose Bücher