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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nicht das Gefäß sein. Lasst mich los, warum muss ich es sein?«
    Ich sah auf ihn hinunter, während er sich kraftlos in meiner Kreidezeichnung wand und das meiste davon verwischte. Mir begann zu dämmern, dass seine Kumpane nicht die volle Wahrheit gesagt hatten.
    »Wir wollen noch mal würfeln, einverstanden?«, sagte er mit der Stimme eines Kindes, das eine unmögliche Bitte durchsetzen will. »Wenn es mich dann wieder trifft, ist es der Wille des Herrn.«
    »Ihr habt es ausgelost«, sagte ich.
    »Immer trifft es mich«, jammerte er. »Immer entscheiden die Würfel gegen mich. Das ist ungerecht.«
    »Das ist nicht nur ungerecht«, murmelte ich und trat an die Schale mit dem Weihrauch heran, »das ist Beschiss.«
    Sie hatten Dämonen beschworen, und sie hatten, um diese einzuladen, ihnen einen menschlichen Körper versprochen, der für die Zeit ihres Erscheinens als Gefäß dienen mochte. Zugleich hatten sie so viel Angst vor ihrem eigenen Tun gehabt, dass sie den Einfältigsten unter ihnen beim Auslosen, wer das Gefäß sein müsse, betrogen. Um wie viel besser als sie war ich, der ihn jetzt wieder betrügen wollte, wenn auch mit letztendlich besseren Absichten?
    Ich stellte den Weihrauch außer Reichweite seiner Bewegungen ab und wedelte den Rauch in seine Richtung. Er begann zu husten. Ich streute weitere Weihrauchkörner auf die glimmende Kohle und blies darauf.
    In keiner der Schriften, die ich im Archiv gefunden hatte, war verzeichnet gewesen, wie der Nigromant seine Beschwörung beginnt. Die Formeln waren niedergeschrieben, nichts jedoch über die Form. Ich nahm an, dass Legions Kumpane auch nicht mehr gewusst hatten und dass ich nicht viel falsch machen konnte. Ich hatte gelesen, dass dem Zelebranten eine mehrtägige Askese empfohlen wurde; er sollte frisch gebadet und frisch rasiert sein; er sollte ein weißes Gewand tragen. Es waren fromme Rituale, die zu unheiligem Tun missbraucht wurden, und ich hätte sie nicht einmal eingehalten, wenn ich dafür die Zeit gehabt hätte. Ich kümmerte mich nicht darum, ob die Befolgung der Empfehlungen die Erfolgsaussichten erhöhten. Ich hatte nicht die Absicht, einen tatsächlichen Dämon zu beschwören oder zu bannen. Alles, was ich wollte, war Legion noch einmal bis in die Tiefe seiner Seele zu erschüttern und ihn glauben zu machen, dass der eingebildete Dämon ihn wieder verlassen hatte.
    Ich warf nochmals einen Blick auf das Kruzifix und flüsterte: »Herr, behüte mich, denn du weißt, dass ich diesem armen Kerl dort nur helfen will«, dann holte ich Atem und begann mit der Zeremonie.
    »Sag mir deinen Namen, Ausgeburt der Hölle.«
    »Hör auf.«
    »Sag mir, aus welchem Kreis der Hölle du kommst.«
    »Nimm es weg.«
    »Sag mir, wer du bist in der Ordnung der dämonischen Wesen.«
    »Mach es aus!«
    »Sag mir ...«
    Er begann so plötzlich zu kreischen, dass ich zusammenfuhr: »Hört auf, hört auf, ich will nicht mehr! Diesmal kommt er tatsächlich, ich fühle es. Macht mich los! Ich habe Angst.« Er begann zu weinen. »Macht mich los, macht mich los ...«
    Ich schwieg und sah ihm zu, wie er sich wand. Seine Bewegungen hatten ihn längst aus dem Zentrum der Kreidezeichnung herausgetragen, aber es war nicht von Bedeutung.
    »Bitte, bitte, bitte ...«, flehte er und schluchzte, »lasst mich frei, bitte lasst mich gehen.«
    »Ich beschwöre dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ...«
    »Nein, nein!« Er stöhnte wild und bäumte sich auf. »Hört auf damit. Ich zeige euch beim Stadtvogt an, beim Bürgermeister, beim Bischof, ich sag es ihnen, auch das mit den gestohlenen Schweinen ...«
    »Und das mit den beiden geopferten Frauen?«
    »Die Schweine, die ihr gestohlen habt, als wir das Blut brauchten, und die Hostien. Ich sag auch das mit den Hostien, dass wir sie im Ärmel versteckten, anstatt sie zu nehmen, und das Blut darüber geschüttet haben. Macht mich los, sonst sag ich alles!«
    »Im Namen dessen, vor dem alles im Himmel und auf Erden zittert ...«
    »Hört auf, lasst mich gehen, ich will nicht mehr, oh bitte, bitte!«
    »Ich beschwöre dich ...«
    »Nein, nein, nein!«
    »Ich biete gegen dich auf alle Dinge, die Macht haben im Himmel, auf der Erde und darunter ...«
    Er bäumte sich auf und schrie, dass ich fürchtete, man werde es bis in den Bischofspalast hinüber hören. Dann lag er plötzlich still und stierte mich durch die Weihrauchschwaden an. »Wer sind Sie denn?«, fragte er so klar, wie ich es noch nie von ihm

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