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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gelangen. Erhatte das Trigramm in die Wand gekratzt und war dann mit dem Kopf dagegen gelaufen, wieder und wieder, als könnte er den Einlass erzwingen. Vor mehr als zweihundert Jahren hatte sich der abtrünnige Kanzler Kaiser Friedrichs aus Apulien auf diese Weise in seiner Zelle umgebracht, und sooft ich davon gelesen hatte, hatte ich mich gefragt, ob es wirklich möglich war, den eigenen Schädel zu zerschmettern. Ich fragte es mich immer noch, während ich gleichzeitig dachte, verrückt zu sein, dass dies der erste Gedanke war, der mir in den Sinn kam. Legion war tot, und das klumpig Geronnene, das an der Wand klebte und von Fliegen übersät war, drehte mir den Magen um.
    »Ich habe ihn umgebracht«, flüsterte ich.
    »Du kannst nichts dafür, Peter. Er hat sich selbst gerichtet.«
    »Ich hätte die Zeremonie nicht durchführen dürfen ...«
    »Welche Zeremonie?«
    »Die Beschwörung ...«
    »Welche Beschwörung?«
    Ich sah ihn verwirrt an. Er legte mir den Arm um die Schultern und drückte mich an sich. Die Wächter konnten nichts hören, als er mir ins Ohr flüsterte: »Soweit ich weiß, ist gestern nichts Merkwürdiges geschehen. Du hast den Gefangenen noch einmal verhört, diesmal in Gegenwart des heiligen Lambert, weil du dachtest, der Heilige werde ihm Angst einflößen. Du hattest keinen Erfolg und hast ihn wieder zurückgebracht. War sonst noch was?«
    »Gregor, ich habe Schuld auf mich geladen ...«
    »Unfug. Das arme Schwein ist gegen die Mauer gerannt, bis ihm der Schädel platzte. Er war verrückt. Oder der Dämon hat ihn dazu gebracht. Jedenfalls ist er tot, und das hat ihm den Galgen oder das Feuer erspart, und wir sollten dankbar sein, dass seine Seele jetzt erlöst ist.«
    »Ich muss es dem Bischof sagen. Ich muss die Schuld auf mich nehmen.« Ich fühlte, wie mir plötzlich Tränen der Reue in die Augen traten. Meine verfluchte Arroganz, zu glauben, ich könnte mit der Seele eines Menschen spielen. Sie hatte Legionden Tod gebracht – und mich würde sie ins Gefängnis bringen und dann in die Verbannung. Was ich getan hatte, war unverzeihlich.
    »Bist du verrückt?« Er zog mich noch näher zu sich heran und lächelte. »Ich will es hier zu was bringen. Das schaffe ich nie ohne deine Hilfe. Ich werde doch nicht zulassen, dass mein Partner wegen einer Geschichte Schwierigkeiten bekommt, die im Übrigen niemals passiert ist.«
    Er schob mich aus der Zelle hinaus und erklärte den Wächtern, dass ich aus Gram um den Selbstmord des Gefangenen schwach geworden sei. Sie baten mich, dem Bischof zu versichern, dass sie streng über den Gefangenen gewacht und keinesfalls geschlafen hätten und ihnen unerklärlich sei, wie er sich selbst hatte töten können. Sie dachten nur daran, welcher Tadel ihnen aus Legions Tod erwachsen könnte. Gregor dachte nur daran, dass der Bischof ihn als meinen Partner vielleicht mitverdächtigen und wieder aus seinen Diensten entlassen würde, wenn ich verkündete, was ich getan hatte. Ich dachte daran, dass ich aus dem schieren Glauben, alles besser zu wissen, einen Tod auf meine Seele geladen hatte.
    An den Menschen, der mit gespaltenem Schädel in seiner Zelle lag und dessen Hirn von der Zellenmauer rann, dachte niemand.
     
    Einige Wochen nach diesem Vorfall setzte ich mich in einen Beichtstuhl und eröffnete Bischof Peter, was ich getan hatte. Es wurde ein langer Bericht, und ich beschönigte nichts. Als ich fertig war, wartete ich darauf, dass er mir sagte, ich solle mich in einer der Kerkerzellen einfinden. Nachdem einige lange Momente verstrichen waren, ohne dass ich etwas gehört hätte, stand ich auf, ging um den Beichtstuhl herum und spähte in die kleine Kabine, in der der Bischof gesessen hatte. Sie war leer.
    Nach einigem Suchen fand ich ihn in der Augustinus-Kapelle. Er kniete auf dem Boden und betete lautlos. Es sah aus, als sei er schon immer dort gewesen. Ich wusste nicht, wieviel von meiner Beichte er angehört hatte, bevor er beschlossen hatte, dass es nichts war, was er wirklich erfahren wollte. Ich wusste nur, dass er lautloser aufgestanden und davongeschlichen war als ein Luchs. Offenbar war mir eine zweite Chance gegeben.
    Und mit der Zeit vergaß ich, was ich getan hatte.

3.
    Die Kapelle war genauso so leer wie vorher. Noch immer brannte lediglich das Ewige Licht darin. Ich wischte mir eine Träne aus den Augen. Dann kniete ich nieder und betete: für Bischof Peter, der mich damals verstanden hatte, für Gregor von Weiden, der mich damals nicht

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