Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
gekommen war – dann war Dädalus' unbekannter Komplize wahrscheinlich der Mörder, der sich zweier Mitwisser entledigt hatte. Und es war wahrscheinlich um viel Geld gegangen. Unter diesen Umständen fiel Maria als Verdächtige aus.
Nur unter diesen Umständen, fügte Jana traurig hinzu, und auch dann nicht wirklich.
Zog man die Umstände in Betracht, wie die beiden Männer zu Tode gekommen waren – von innen versperrte Räume, die unglaubliche Kraft des Mörders, das Trigramm aus Ruß –, schied auch jeder andere Mensch aus.
Unsinn, sagte Jana.
Ich nickte. In diesem Punkt waren wir einer Meinung.
Wenn Maria wirklich in die Sache verwickelt ist ... ... dann musst du Gregor zuvorkommen. Sie hat sonst keinerlei Chance, dem Galgen zu entgehen.
Ich wünschte, nie in diesen Gedankengang geraten zu sein. Ich musste herausfinden, was Dädalus vorgehabt hatte. Ich musste seinen Komplizen finden.
Und deine Suche nach Maria?, fragte Jana.
Wenn die Aufklärung des Falls gleichzeitig bedeutet, sie wiederzufinden und in Sicherheit zu bringen ...
Du glaubst nicht ernsthaft, dass sie eine Mörderin ist.
Nein, ich glaubte es nicht ernsthaft. Und ich hatte ein würgendes Gefühl der Angst davor, dass dieser Glaube auf die Probe gestellt werden könnte. Alles andere, nur das nicht!
Geliebter Peter, seufzte Jana, wäre dir denn der Gedanke lieber, dass sie – nach deiner eigenen Kategorisierung – auch das dritte Opfer sein könnte?
Gregor war, wenn man seinem Schreiber trauen konnte, kurz nach Tagesanbruch weggeritten – zu Bartholomäus Welser. Ich konnte mir denken, was er im Sinn hatte. Am Vortag war er unverrichteter Dinge bei Jakob Fugger abgezogen, nur um wenige Minuten später zu erfahren, dass ich alles herausbekommen hatte, was ich wissen wollte. Diese vermeintliche Schmach konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Er musste mir beweisen, dass er ebenso wie ich dazu in der Lage war, einem der einflussreichsten Männer der Stadt die Würmer aus der Nase zu ziehen. Im Lichte dieses Verhaltens hielt sich mein schlechtes Gewissen wegen des Alleingangs, den ich wiederum vorhatte, in Grenzen.
»Heute kommt wieder ein Bote für Seine Exzellenz«, erklärte der Schreiber.
Ich sah ihn verständnislos an.
»Falls Sie einen Brief haben sollten, so wie gestern. Er könnte ihn mitnehmen, wenn er den Bericht des Burggrafen überbringt.«
»Ist denn Gregors Bericht noch gar nicht zugestellt worden?«
»Der von vorgestern? Doch, natürlich. Ich meine den von heute Morgen.« Er markierte ein Gähnen, aber ich konnte auch so sehen, dass er wirklich müde war. Mit einer Hand wies er auf ein gefaltetes Papier, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Er hat ihn mir noch vor Morgengrauen diktiert.«
Ich starrte den Schreiber immer noch an. Langsam dämmerte mir, dass Gregor sich in seiner Beschreibung des Verhältnisses von Bischof Johann zu ihm gewisser Übertreibungen nicht hatte enthalten können. Der Bischof hatte ihn mitnichten als seinen Stellvertreter zurückgelassen. Im Gegenteil, er hatte ihm sogar befohlen, alle zwei Tage einen Bericht aufzusetzen, um über die Lage in Augsburg informiert zu sein. Gregor hing an der Kette, und sie war kürzer als die so manchen Hofhundes. Der Schreiber gähnte nochmals ausgiebig und rückte dann die Kerze näher heran, um den Siegellack zu erwärmen und den Brief zu versiegeln.
»War wahrscheinlich ein langer Brief, nach allem, was hier vorgeht«, sagte ich scheinbar beiläufig.
Der Schreiber schüttelte den Kopf. »Nein, ging so. Ich musste nicht mal die Feder nachschärfen.« Er drehte die Stange mit dem Siegellack in der Kerzenflamme hin und her.
»Der Burggraf hat das Talent, die Umstände mit der gebotenen Knappheit zu schildern.«
Er zuckte müde mit den Schultern. »Keine Ahnung. Schauen Sie selbst nach, er hätte bestimmt nichts dagegen. Sie sind doch sein Freund aus den guten alten Tagen.«
Ich wusste nicht, ob die letzten Worte zynisch gemeint waren oder nicht, und es interessierte mich wenig. Tatsächlich hätte Gregor wahrscheinlich jede Menge dagegen gehabt, dass ich seinen devoten Bericht über die Ereignisse der letzten achtundvierzig Stunden las und erkannte, dass der Bischof ihm nicht einmal zutraute, länger als zwei Tage ohne Weisung zu sein. Ich tat so uninteressiert wie möglich und faltete den Brief mit einer Miene auseinander, die signalisieren sollte, dass ich mit dem Lesen des Berichts eigentlich dem Schreiber einen Gefallen tat. Er machte sich kaum die Mühe,
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