Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
die die Lampe in den Raum hielt. »Na, wir haben ja noch das untere Stockwerk.«
    Ich schloss die Tür hinter mir, als ich den Raum wieder verließ. Meine Hand fühlte sich an, als säße sie an einem fremden Arm. Etwas seufzte, als die Tür ins Schloss fiel; ein Geist, der sich plötzlich dagegen entschieden hatte, an den Lebenden Rache zu nehmen; eine Seele, die sich endgültig zu gehen entschlossen hatte. Der Luftzug, der von dem halb geöffneten Fensterladen kam. Unten öffneten wir den Raum gegenüber Stinglhammers Schlafraum und fanden nichts als eine Vorratskammer, in der das Wenige, was Stinglhammers vertriebene Dienstboten nicht gestohlen hatten, dem Verfaulen preisgegeben war. Schließlich wandten wir uns der Schlafkammer zu.
    Ich erwartete keinen Geist, weder einen aus meiner eigenen Einbildung noch einen, den die Tricks von Licht und Schatten und Luftzug im Raum entstehen ließen. Doch war ich auch nicht auf das Ausmaß an Gewalt vorbereitet, das die Schlafkammer verwüstet hatte.
    »Meine Güte«, hauchte Gregor neben mir. Er hob die Lampe hoch und sah sich kopfschüttelnd um.
    Das Bett war geborsten, die Türen des Bettkastens eingetreten und die Seitenteile auseinander gerissen. Der Deckel war halb herabgefallen und verdeckte die hintere Hälfte der Liegefläche. Die Bettdecken waren ihres Inhalts aus Heu und Federn fast vollständig beraubt; er quoll aus den aufgeschlitzten Wamsen der Decken wie die Eingeweide aus dem Körper eines Ausgedärmten. Die Truhen waren umgekippt, die Deckel halb abgerissen. Etwas knirschte unter meinen Stiefeln: Scherben von Tongeschirr. An einer Wand war ein großer Handabdruck aus Fett und Ruß zu sehen. Ich dachte unwillkürlich an die Maskerade der Sektierer und glaubte zu ahnen, wer seine Pfote hier verewigt hatte. Es roch nach abgestandener Luft und Schweiß und einigen anderen Düften, die von der quintana hereingedrungen sein mochten oder ihren Ursprung im Raum selbst hatten. Ich trat über die Scherben und zum Bettgestell hinüber. Der Bettkasten war auch ohne die Türen und die zerborstenen Seitenteile ein schweres Möbelstück, das nur ein wenig von der Stelle gerückt worden war. Ich spähte auf den Boden und machte unbewusst ein paar kleine Schritte um die Stelle herum, an der zwischen Scherben, aufflockenden Federn und Büscheln von Heu die mittlerweile eingetrockneten Flecken davon zeugten, dass Konrad Hurlocher die Herrschaft über das Gesinde auf seine Weise genutzt hatte. Auf einem herabgezerrten Laken sah ich einen Schattenriss, der sich auch bei näherem Hinleuchten mit der Lampe nicht auflöste und als dunkelfarbiger Fleck entpuppte wie gestocktes Blut. Ich leuchtete mit zusammengekniffenen Augen noch näher hin und entdeckte die wahre Natur der Spur. Ich richtete mich rasch wieder auf.
    »Hier hat sich jemand den Arsch abgewischt«, sagte Gregorleise und deutete auf ein Häuflein Hemden, die man vermutlich aus den Truhen herausgezerrt und in eine Ecke geworfen hatte. Ich dachte daran, als was Lutz den Burggrafen bezeichnet hatte und wie ich seine Grobheit aufgenommen und spielerisch gegen ihn verwendet hatte. Es wirkte nicht mehr so elegant, wenn man direkt vor dem Ergebnis auf einem Bettlaken oder sauberen weißen Hemden stand. »Hier auch«, erwiderte ich.
    »Hoechstetters Leute?« Gregor musterte den Handabdruck an der Wand und hielt seine eigene Hand mit gespreizten Fingern knapp darüber: Sie konnte den schmutzigen Abdruck nicht annähernd überdecken. Ich nickte: Lutz. Gregor polkte mit der Spitze seines Dolchs in der Wand und spickte ihn schließlich ins Zentrum der Handfläche.
    »Unwahrscheinlich«, sagte ich. Er brummte etwas Zustimmendes.
    »Hoechstetters Leute sind noch gar nicht zum Suchen gekommen«, beantwortete er seine Frage selbst. »Das ist das Werk der verärgerten Dienstboten.«
    Er entdeckte etwas anderes an der Wand in der Nähe des Handabdrucks und richtete die Lampe darauf. Es war etwas halb Verfestigtes wie Rotz, das an der Wand geronnen war. Gregor verdrehte die Augen und schüttelte sich dann. Als er merkte, dass ich ihn beobachtete, ballte er die Faust um den Griff des Dolchs, hielt sie vor seinen Schoß und bewegte die Hand auf und ab. Ich zuckte mit den Schultern. Gregor richtete den Dolch wieder gegen den Handabdruck und kratzte daran herum. Ich konnte es nicht lassen:
    »Wer weiß, ob das nicht die Hand war, die für diese Entladung gesorgt hat«, sagte ich. Er hielt mit dem Kratzen inne und sah mich über die Schulter

Weitere Kostenlose Bücher