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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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an. Sein Gesicht verfinsterte sich, aber er ließ von seiner Tätigkeit ab und sah sich nach etwas um, woran er die Klinge des Dolchs abwischen konnte.
    »Ha, ha.«
    Ich stieg über die aufgeschlitzten Bettdecken und leuchtete den Bettkasten aus. Ich war sicher, dass ich bei näheremHinsehen weitere Spuren von der Art dessen sehen würde, das von der Wand heruntergeronnen war. Die meisten der Dienstboten waren Männer gewesen. Ein dumpfer Geruch drang mir in die Nase, der sich deutlich von der Duftmischung des Raums abhob. Ich merkte, wie sich mein Magen zusammenzog. »Es riecht hier nach Aas«, sagte ich.
    Gregor richtete sich auf und sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Es riecht nach dem, was in den Hemden und auf dem Bettlaken ist.«
    »Nicht nur.« Ich winkte ihm. »Komm hier rüber.«
    Gregor schnupperte, und sein Gesicht spannte sich. Er nickte. Ich sah, dass er den Dolch in der Hand unablässig drehte. Vielleicht vermisste er sein Stöckchen mit der elfenbeinernen Klaue. Ich zeigte auf die halb vom Deckel des Bettkastens versteckte Liegefläche des Bettes. Gregor sah mich an. Wir hatten beide denselben Gedanken.
    »Ich nehme nicht an, dass irgendjemand Stinglhammers Dienstboten gezählt hat, ob sie auch vollzählig aus dem Haus gekommen sind, bevor es zugenagelt wurde.«
    »Wer?«
    Ich sah ihn an und dann zu den getrockneten Flecken auf dem Boden hinunter. Er presste die Lippen zusammen und machte schmale Augen. »Die Weiber sitzen in der Stube und heulen sich die Augen aus. Die Männer kommen plötzlich auf den Gedanken, dass ihr toter Herr an der ganzen Misere schuld ist. Sie stürmen in sein Schlafzimmer und schänden, was von seiner Hinterlassenschaft noch übrig ist.«
    »Konrad Hurlocher allen voran«, sagte ich.
    »Die Weiber hören den Krach. Das Küchenmädchen geht schließlich nachsehen. Sie stößt auf die Kerle, die sich gerade die Hintern abgeputzt haben und jetzt ihre Schwänze über Stinglhammers Sachen ausschütteln. Da kommen die Kerle auf die Idee, dass ein bisschen Weiberfleisch ihre Bemühungen nur fördern könnte.«
    »Sie haben's ja von ihrem Majordomus nicht anders gesehen.«
    »Sie wehrt sich. Das ist noch ein paar Grade demütigender als für den Majordomus auf die Knie zu sinken. Sie will sich nicht zwischen den Scheißhaufen und den zerstörten Sachen ihres ehemaligen Herrn im Rudel vergewaltigen lassen. Die Männer sind halb rasend. Da kann es schon passieren, dass ein Schlag zu fest ausfällt oder der Hals zu lange zugedrückt wird.«
    Gregor hörte auf zu reden und seufzte. Sein Gesicht sah alt aus und so müde, dass es fast wächsern wirkte. Er wechselte die Hand, die den Dolch hielt und rieb sich die Nasenwurzel. Dann steckte er den Dolch zurück unter seine Schaube und schenkte mir einen resignierten Blick.
    Ich legte mein nutzloses Messer auf den Boden, stellte die Lampe daneben und nahm die eine Ecke des herabgesunkenen Deckels in die Hand. Gregor schüttelte den Kopf und nahm die andere. »Warum bin ich bloß mitgekommen?«
    »Bei drei«, sagte ich.
    »Wenn es sein muss.«
    Ich zählte, und wir hoben den Deckel in die Höhe und ließen ihn auf der anderen Seite des Bettes hinunterpoltern. Dann wichen wir einen Schritt zurück.
    Es lag keine Leiche im hinteren Teil des Bettkastens.
    Es war noch schlimmer.
    Es war ein abgetrennter Kopf, und in der Stirn steckte noch das Messer.

7.
    Gregor wandte sich ab und hustete. Er blinzelte krampfhaft, und ich dachte Änliches wie damals am Ufer der Wertach, während die Fliegen um den Leichnam einer jungen Frau schwärmten: Fang bloß nicht zu kotzen an. Ich starrte auf das unsägliche Ding im Bettkasten, das Gesicht eine zerschlagene Fläche aus dunklen Fetzen und hellen Knochenstücken, die Nase zerquetscht und der Mund weit offen. Die Augen waren nicht zu sehen, die Ohren offenbar abgerissen, der Kopf auf seine Grundform reduziert und nicht mehr menschlich. Ich atmete tief ein, hob die Lampe hoch und ließ das Licht darauf fallen.
    »Hast du noch nicht genug gesehen?«, fragte Gregor rau.
    »Es ist ein Rotkohl.«
    Er drehte sich um, als hätte ihn jemand in den Hintern getreten. Seine Augen traten hervor. »Was?«
    »Sieh selbst.« Ich schluckte den letzten Rest Galle hinunter, die mir in den Mund gestiegen war, und merkte, wie sich der Knoten in meinem Magen löste und plötzlich Gelächter aufsteigen wollte. Mit dem Schreck verschwand das Düstere der Szene, und das Groteske nahm überhand. »Nur das Messer ist echt. Alles

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