Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
müssen den Fensterladen wieder befestigen«, sagte ich. »Gib mir die Papiere und reich mir das Ding dann heraus, sonst kommen wir nicht mehr dran.«
Gregor brummte und setzte den Stapel auf dem Herd ab. Er hob den Fensterladen mit einem Grunzen auf und verkantete ihn eine Weile, bevor er den richtigen Winkel fand, mit dem er durch die Fensteröffnung ging. Dann schnappte er sich die Dokumente wieder und kletterte ungraziös heraus. »Für heute habe ich genug von Abenteuern«, keuchte er. Ich bemühte mich, ihm die Papiere nicht einfach aus den Händen zu reißen. Er klemmte sie unter die Armbeuge und begann an seinem Gewand herumzuklopfen. Ich setzte den Fensterladen ein und winkte Hilarius heran, mir zu helfen.
»Ich werde nichts mehr wegen gestern sagen«, raunte er und bewies damit, dass er einen Teil seines Verstandes wiedergewonnen hatte und benutzte. »Aber Sie sind mir immer noch was schuldig deswegen.«
Ich nickte. »Sie wissen, wo ich für meine Schuld die Grenze ziehe.«
»Was?«, fragte Gregor.
»Nichts.«
Er betrachtete mich zerstreut. »Seid ihr fertig?«
»Solange niemand an den Brettern rüttelt, sieht es aus wie vorher.«
»Das reicht. Langsam wird mir mulmig. Es ist gleich Mittag und ohnehin ein Wunder, dass noch keiner hier hereingeschaut hat. Machen wir, dass wir von hier wegkommen.«
»Was ist mit uns?«, fragte Hilarius.
»Wir sollten ihn zu Bürgermeister Onsorg bringen.«
»Nein«, sagte ich. »Verschwinden Sie, Wilhelm. Sie haben uns nicht gesehen und wir Sie nicht.«
»Danke. Sie machen trotzdem einen Fehler.«
»Ich würde gern hören, wie er dem Bürgermeister und dem Rat erklärt, was er mit dem Hahn vorhatte.« Gregor kicherte.
»Wir lassen Onsorg aus dem Spiel«, sagte ich.
Gregor zuckte mit den Schultern. »Besser keinen Staub aufwirbeln, was? Na gut, du hast ja Recht. Hauen Sie ab, Sie Scharlatan. Gott liebt die Großzügigen.«
»Aber er hasst Einbrecher«, sagte eine neue Stimme von der Mündung der quintana her. Wir fuhren herum. Ich ließ die Schultern sinken.
Nun würde es wohl nicht mehr gelingen, Bürgermeister Onsorg aus dem Spiel zu lassen. Dort stand er im hellen Sonnenschein, die Beine gespreizt und die Arme in die Hüften gestemmt, und man konnte das hämische Grinsen in seinen Worten hören, als er sagte: »Alle Mann raus hier, bevor ich euch von den Waibeln herausholen lasse.«
9.
»Eindringen in das Haus eines kürzlich verstorbenen Bürgers«, sagte Onsorg, während seine vierköpfige Begleitmannschaft uns umstellte und oberflächlich über die Kleider fuhr, um festzustellen, ob wir bewaffnet waren. Ich hatte nicht gesehen, wo Gregor seinen Dolch versteckt hatte, jedenfalls fanden sie ihn nicht. Der Anführer des Trupps nickte Onsorg zu und trat zurück. »Beschädigung des Eigentums einer der angesehensten Familien der Stadt. Diebstahl.« Er wies auf den Packen Papier in Gregors Händen. »Sie wollen mir das sicher aushändigen, Burggraf.«
»Ich wüsste nicht«, knurrte Gregor. Ich schloss die Augen. Hatte ich eben noch gedacht, dass es nicht schlimmer kommen könnte, hatte ich mich getäuscht. Und das Allerschlimmste war, dass ich nichts dagegen unternehmen konnte. Gregor hätte ich vielleicht täuschen können, den Bürgermeister auf keinen Fall. Ich verfluchte mich dafür, die Papiere nicht eher gefunden und komplett durchgesehen zu haben, bevor der kleine Alchimist uns überraschte.
»Gib sie ihm schon«, hörte ich mich sagen.
Gregor warf mir Blicke zu wie ein Verschwörer, dessen engster Vertrauter soeben angekündigt hat, alle Pläne verraten zu wollen. Dann streckte er die Hände mit den Papieren darin in Richtung des Bürgermeisters. Als dieser zugreifen wollte, ließ Gregor sie fallen. Sie plumpsten hart auf den Boden und zerflatterten sofort.
»Hoppla«, sagte Gregor.
Onsorg stellte unbeeindruckt den Fuß auf den unordentlichen Haufen. Einer seiner Männer sammelte die wenigen davongewirbelten Blätter zusammen, stieß den Packen wieder zusammen und übergab ihn dem Bürgermeister.
»Und das.« Onsorg wies auf den Leinenbeutel. »Was ist da drin?«
»Ein zertrampelter Hahn«, erklärte ich, bevor Hilarius Wilhelm etwas entgegnen konnte. »Er hat ihn gefunden und will ihn sich zubereiten.«
»Was uns zu ihm bringt«, sagte Onsorg mit falscher Freundlichkeit. »Wer ist er? Und gnade Ihnen Gott, wenn Sie wieder für ihn antworten.«
»Sie haben mich dafür bezahlt, eines der Fenster aufzubrechen«, erwiderte der Alchimist mit
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