Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
lang wirst du einen Nachfolger haben. Einen, der heute wegen seiner Läuse einen geschorenen Kopf hat. Und dich werden sie in irgendeiner Gasse finden, und was Hilarius Wilhelm und mir passiert ist, wird eine Streicheleinheit sein, im Vergleich zu dem, was er mit dir anstellen wird. Und weißt du, was dein Nachfolger – er heisst übrigens Lutz, merk dir den Namen –, weißt du, was er sagen wird, wenn er dir den letzten Tritt versetzt?«
Gregor funkelte mich an. Im Licht der Fackel zuckten seine Wangenmuskeln unkontrolliert.
»So, wird er sagen, wieder ein Arschabwischer weniger.«
»Lächerlich!«, schrie Gregor. Seine Stimme verklang mit einem dumpfen Misston im steinernen Gewölbe der Katakomben. »Ich brauch nur mit dem Finger zu schnippen, und schon ist er das nächste Opfer!«
»Du glaubst doch nicht wirklich, dass deine Schäfchen dir bis zu einem Menschenopfer folgen würden?«
Er lächelte herablassend. »Du hast nicht nur keine Ahnung, du hast auch noch ein schlechtes Gedächtnis.«
»Willst du mir jetzt etwa weismachen, die Morde damals – Agnes Wolfartshauser und ihre Zofe – seien Menschenopfer gewesen?« Nun lächelte ich herablassend. Gregors Augen verengten sich zu Schlitzen. »Dass Wolfartshauser es damals glaubte, ist eine Sache. Aber dass du es mir nach all den Jahren nun auch so verkaufen willst! Mach dich nicht noch lächerlicher! Soll ich dir sagen, was damals passiert ist? Die Zofe war eine von den Grubenleuten, genau wie du. Ist dir schon aufgefallen, dass es fast durchweg die Dienstboten und das Gesindel sind, die sich um deinen Altar scharen? Was war das Problem? Wollte sie dich verraten? Du hast sie zum Fluss hinausgelockt und dort umgebracht. Aber ihre Herrin suchte sie, als sie plötzlich nicht mehr auftauchte. Ist sie dir auf die Spur gekommen? War auf einmal noch ein zweiter Mord nötig, um das Geheimnis zu schützen, dass Gregor von Weiden genau wie der dümmste Dienstbote und der leichtgläubigste Handwerker einem Ersatzglauben nachlief, weil auch er nur ein Zuhause suchte?«
Gregor presste die Lippen zusammen. Er machte eine heftige Bewegung, dass die Fackel aufloderte. Mit der anderen Hand rieb er sich über den Bauch. »Du bist so schlau!«, zischte er. »Und weißt gar nichts!«
Ich breitete die Arme aus. »Dann erleuchte mich, o Herr!«, rief ich. »Bislang sehe ich nur einen armseligen Popanz, der es geschafft hat, die Dummen und die Leichtgläubigen zu beeindrucken.« Ich gab der Maske einen Stoß. »Sogar das hast du nur einem unbedeutenden Toten aus dem Grab gestohlen.«
»So? Ich sag dir was: Bei allem, was ich damals tat, hast du mir noch in die Hände gearbeitet! Wie hast du das dumme Arschloch genannt: Legion? Er und seine drei Freunde haben die beiden Weiber kaltgemacht – auf meinen Befehl! Legion war ein Halbidiot. Ihm einzureden, er sei von einem Dämon besessen, der ihm die Morde befiehlt, war ein Klacks für mich!
Und du hast das Ganze mit deiner lächerlichen Zeremonie vollendet. Ich sag dir was: Alles, was ich zu tun hatte, war, nachts in seine Zelle zu gehen, das Trigramm zu zeichnen und ihm zu befehlen, gegen die Wand zu rennen. Ich machte die Fußfessel auf, er rannte los, und als er tot war, band ich ihn wieder an.«
»Ich hätte mich damals schon fragen sollen, wie er es schaffte, das Zeichen in die Wand zu ritzen, wo er gar keine Handfessel trug, mit der er die Steine hätte bearbeiten können.« Gregor lachte wild.
»Als Wolfartshauser den Spuren folgte, die seine Tochter hinterlassen hatte, und den vieren auf die Schliche kam, musstest du die Initiative ergreifen. Du hast den Bischof benachrichtigt, weil du wusstest, dass auch er versuchen würde, die Geschichte unter der Decke zu halten – er hatte ja auch die Vertreibung der Grubenleute lieber zusammen mit der Stadt in die Wege geleitet, anstatt Rom zu alarmieren. Mit den anderen dreien hast du ein Geschäft gemacht: Du garantiertest ihnen, dass Legion allein für die Morde bezahlen würde, wenn sie sich entsprechend verhielten.«
»Du hast bloß sieben Jahre gebraucht, um dahinter zu kommen. Gratulation.«
»Vierzehn Jahre«, sagte ich. »Es sind vierzehn Jahre, Gregor.«
Er lachte rau. »Das macht es nicht besser.«
»Um dahinter zu kommen, wer Onsorg umgebracht hat, habe ich nur ein paar Stunden gebraucht.«
»Wer sagt, dass du dich nicht selbst noch verbessern kannst?«
»Als Onsorg Stinglhammers Unterlagen an sich nahm, war dir klar, dass er damit in der Lage war, deine
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