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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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geriet ich mit meinen tastenden Händen in die Begräbnisnischen und taumelte gegen die Wand, was nicht weniger schmerzvoll war, als draußen gegen einen Baum zu laufen. Auf halber Strecke blieb ich stehen und lehnte mich gegen die Mauer. Die Stille war vollkommen, und die vielen Biegungen, die ich zurückgelegt hatte, machten es unmöglich, den Eingang zu sehen. Es konnte sein, dass ich bereits nicht mehr allein war, es konnte sein, dass der, den ich hier erwarten wollte, schon hinter der nächsten Kurve heranschlich. Ich würde den Lichtschein seiner Fackel sehen, doch dann war es bereits zu spät.
    Ich gab mir einen Ruck. Die finstersten Geheimnisse lösen sich nur im Dunkeln. Allerdings hörte sich das heroischer an, wenn man es im Inneren einer komfortablen Kutsche sagte.
    Das Wasser, das bei meinen unbeholfenen Schritten aufspritzte, sagte mir, dass ich in der Kammer angekommen war, in der die Messe gehalten wurde. Der Geruch nach Weihrauch hing noch immer in der Dunkelheit, abgestanden und ranzig. Ich streckte die Hände nach vorn aus und schlurfte in die Kammer hinein.
    Es war das kürzeste und zugleich längste Stück des ganzen Weges. Meine Hände fanden keine Stütze, ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich mich bewegte, und schon nach wenigen Schritten war ich mir nicht mehr sicher, ob ich nicht vielleicht schon von der Geraden abgewichen war. Ich konnte es mir nicht leisten, hier im Kreis zu laufen, bis man mich fand. Ich biss die Zähne zusammen und zwang mich, ein wenig schneller durch das Wasser und den Schlick zu waten. Als es ein wenig bergauf ging, geriet ich ins Stolpern und kam schwitzend zum Stehen. Wenn ich stürzte, war ich jeglicher Ahnung, in welcher Richtung der Altar lag, beraubt. Ich hätte meine Schritte zählen sollen. Ich hatte es versäumt. Welchen Durchmesser hatte der Raum gehabt? In meiner Erinnerung war er riesig. Ich ging und ging, einen Schritt vor dem anderen, ohne irgendwo anzukommen. Meiner Berechnung nach hätte ich schon längst an der gegenüberliegenden Wand angekommen sein müssen. Ich hatte den trockenen Teil der Kammer erreicht, gut. Bis dahin war ich geradeaus gegangen. Aber wenn ich durch das Stolpern aus der Bahn gekommen war? Ich breitete die Arme aus und unterdrückte den Impuls, mich einmal um mich selbst zu drehen. Die unangezündete Fackel wog schwer – vielleicht hatte sie mich zur Seite gezogen, ohne dass ich es gemerkt hatte? Ich machte einen weiteren Schritt und durchpflügte mit den Armen die Luft vor mir. Nichts. Dabei hätte ich mindestens schon vor der Erhöhung zum Altar stehen müssen. Ich machte noch einen Schritt, stieß an eine Stufe und fiel mit rudernden Armen nach vorn. Sofort ließ ich die Fackel los und fing mich an rauem Stein ab. Statt mir den Schädel einzuschlagen, überdehnte ich so nur meine Handgelenke, dass es knackte. Ich zog mich an dem Stein empor, als wäre er ein Holzstück in einem weiten See und ich ein Ertrinkender. Als ich die Füße nachzog, spürte ich die Fackel. Mit beinahe unendlicher Langsamkeit bückte ich mich danach, schmerzhaft verkrampft, weil ich meinen Fuß nicht mehr bewegen wollte, tastete mich an meinem eigenen Bein nach unten und bekam die Fackel zwischen die Finger. Ich richtete mich auf wackeligen Beinen aufund stieß den Atem aus. Für ein paar Augenblicke war ich froh, nichts sehen zu können, denn ich wusste, dass die Kammer sich schwankend um mich drehte.
    Das Einfachste an der ganzen Angelegenheit war geschafft.
    Ich holte Feuerstein und Zunder aus der Tasche, legte die Fackel vorsichtig auf den Altar und machte mich daran, einen Funken in ihren pechverklebten Kopf zu schlagen.
    Das Schlimmste kam noch.
     
    Er kam herein, als ich meine Fackel längst gelöscht und mich in eine der Nischen beim Eingang zur Kammer gezwängt hatte. Er keuchte und überquerte mit langen Schritten das Wasser, das in der Kammer stand, eine hoch gewachsene Gestalt mit dunklem Mantel und über den Kopf gezogener Kapuze. Ich dachte an Jos Onsorg, wie sich seine und meine Blicke über die gebeugte Menge hinweg gekreuzt hatten, ohne dass wir uns gegenseitig erkannt hätten, während der Mann, der jetzt ungeduldig damit begann, den Inhalt einer der Nischen hinter dem Altar auf den Boden zu werfen, die Messe gehalten hatte, verborgen hinter dem Rauchschleier des Weihrauchs, vermummt hinter der goldenen römischen Gesichtsmaske. Ich hörte ihn einen Fluch zischen, als die Nische leer war. Er leuchtete mit der Fackel alle

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