Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Fugger und Welser zurückgetreten ist (man munkelt, Jakob Fugger habe den Bankrott der Familie Hoechstetter in den zwanziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts gesteuert), hatte ich eine unschätzbare Hilfe bei meiner Recherche: die Familienhistorikerin Adelheid Hoechstetter-Müller, die mich mit allen Informationen versorgte, die ich mir über ihre Ahnen nur wünschen konnte. Aber auch hier waren aus dramaturgischen Gründen einige Änderungen nötig. Ulrich Hoechstetter hatte seine Firma zu gut im Griff, als dass zur Zeit seiner Anwesenheit das hätte passieren können, was in meinem Roman passiert. Ich musste ihn daher eine Reise antreten lassen, die sich im Jahr 1478 in Wahrheit erst abzeichnete – die geschäftliche Verbindung nach Burgund war noch im Entstehen und nicht, wie von mir impliziert, bereits etabliert. Georg Hoechstetter, Ulrichs Zweitältester Sohn, wurde während Ulrichs echten Geschäftsreisenmit großer Wahrscheinlichkeit als sein Stellvertreter und damit weisungsbefugt gegenüber den Buchhaltern, Faktoren und sonstigen Geschäftspartnern des Hauses eingesetzt (was auch im Roman dargestellt wird); berücksichtigt man Ulrich Hoechstetters Umsicht in geschäftlichen Dingen, kann Georg jedoch nicht der leicht beeinflussbare junge Mann gewesen sein, als den ich ihn geschildert habe. Seinen expliziten Kleidergeschmack habe ich von dem der realen Person zugeschriebenen Kunstsinn übernommen, dem Augsburg einige wunderbare Artefakte verdankt. Ansonsten habe ich dem echten Georg Hoechstetter aber mit meiner Charakterisierung ziemlich sicher Unrecht getan. Hierfür sowie für die Fehler, die ich unabsichtlich begangen habe, bitte ich um Verzeihung.
Die unappetitliche Geschichte mit dem englischen Mönch entspricht der historischen Realität, ebenso die Anekdote mit dem mörderischen Wirtspaar, wenn sie auch beide nicht in Augsburg geschahen. Für die Schilderung der nigromantischen Praktiken und die Einordnung ihres Stellenwerts im Gefüge mittelalterlichen Aberglaubens habe ich mich eng an Richard Kieckhefers Studien gehalten; lediglich der Inhalt des Sektengottesdienstes in den Katakomben des alten römischen Gräberfeldes entspringt der schriftstellerischen Fantasie.
Die Innenarchitektur des Bischofspalastes habe ich, wo ich sie beschrieben habe, den Erfordernissen meines Romans angepasst. Zustatten kam mir dabei unter anderem, dass die Lambertikapelle, Schauplatz von Peter Bernwards gut gemeinter, schlecht getaner Dämonenbeschwörung, nicht lange nach den fiktiven Ereignissen des Buchs abgerissen wurde, sodass ich mich in ihrer Beschreibung etwas freier fühlte. Ich habe jedoch wie immer überall dort, wo ich das Gefühl hatte, die Darstellung der historischen Realität sei wichtig, größte Sorgfalt walten lassen; dies gilt für die Beschreibung des Fronhofs ebenso wie für alles andere, seien es Gassennamen, Standorte von Gebäuden, politische und gesellschaftliche Strukturen oder so etwas Spezielles wie die Augsburger Marktordnung. Auch hierbei bin ich nochmals Adelheid Hoechstetter-Müller zuDank verpflichtet, die mich davor bewahrte, bei der Situierung des Hoechstetter'schen Firmensitzes im Jahr 1478 auf einen weit verbreiteten Irrtum hereinzufallen.
Ein Wort zu dem Spiel, das Lutz und sein unseliger Trinkgenosse im Schwarzen Fass veranstalten. Auf Tanz- oder Dorffesten gab es unter den jungen Leuten aus dem »gemeinen« Volk jede Menge Wettbewerbe, die bei uns heutigen Menschen bestenfalls Kopfschütteln hervorrufen. So manches können wir wahrscheinlich nach vollziehen, zum Beispiel die beliebten akrobatischen Tanzfiguren, die die Mädchen über die Köpfe ihrer Tanzpartner hinweg vollführten – beliebt bei den Burschen, weil es ihnen die Möglichkeit gab, einen kurzen Blick unter die Röcke der Mädchen zu tun, beliebt bei den Mädchen, weil es ihnen die Möglichkeit gab, die Burschen bis fast zur Schamröte zu reizen. Das Sauschlagen (zwei Männer mit verbundenen Augen – wahlweise auch zwei Blinde – werden zu einer schlachtreifen Sau in den Pferch gesperrt und versuchen diese mit Prügeln tot- und sich gegenseitig möglichst nicht zu Krüppeln zu schlagen) oder das Katzenspiel, das ich in einem meiner vorhergehenden Bücher beschrieben habe, können uns dagegen sicher nicht erheitern. In allen Fällen dürfen wir uns aber kein Urteil anmaßen über die Versuche, sich in einer von harten Regeln und unnachsichtigen Vorschriften geprägten Zeit Ablenkung zu verschaffen. Wie man in
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