Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
keine Beschreibung einer Sekte wie der, zu der ich die Überreste der Waldenser habe verkommen lassen. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass das ganze fünfzehnte Jahrhundert über immer wieder Aktionen gegen Ketzergruppen und Andersgläubige gestartet wurden, sodass meine Darstellung der Atmosphäre in der Stadt vielleicht nicht genau in das Jahr 1478 passt, aber für die letzten Dekaden des fünfzehnten Jahrhunderts insgesamt stimmig sein dürfte. Denken wir auch daran, dass die Augsburger ihren Bürgermeister am Galgen baumeln sahen und sein Nachfolger ermordet wurde – so dürfte die Anspannung in der Stadt auch im realen Jahr 1478 recht groß gewesen sein.
Die Streitigkeiten zwischen Bischof Peter von Schaumberg und der Stadt sind überliefert, ebenso sein verfrühter Rückzug aus dem politischen Geschehen und die Einsetzung seines Koadjutors Johann von Werdenberg als sein Nachfolger. Ich habe schon lange über eine Möglichkeit nachgedacht, Peter Bernwards ehemaligem Freund und Mentor etwas Platz auch außerhalb Peters wehmütigen Erinnerungen einzuräumen; ich hoffe, mit diesem Buch ist es mir gelungen, seiner Gestalt mehrTiefe zu geben. Bischof Peter wird in den Schilderungen, die mir zugänglich waren, zum Teil sehr zwiespältig dargestellt; die Ambivalenz, mit der die handelnden Personen von ihm sprechen, hat in diesen Schilderungen ihre Nahrung gefunden. In der Tat hat er sich auf seinem Kenotaph im Augsburger Dom als verfallender Leichnam darstellen lassen; ein doppelt betroffen machender Anblick, wenn man ihn mit der Bronzefigur von Bischof Wolfhard vergleicht. Die Gründe für die Streitigkeiten zwischen Bischof Peter und den Stadtbehörden habe ich so wahrheitsgetreu wie möglich geschildert, wenn auch vereinfacht, von den nicht eichgemäßen Milchkannen angefangen bis zum Verlust der Herrschaft über Schwabmünchen. Auch die Geschichte mit dem Domherrn Doktor Andreas, den man mit Nachdruck davon überzeugen musste, dass er sich wie alle anderen an das Waffenverbot in der Stadt zu halten hatte, stammt aus den Augsburger Chroniken.
Was uns zu der erfundenen Figur von Gregor von Weiden und seinem historisch realen Amt, dem des Burggrafen, bringt. Der Machtverlust dieses bischöflichen Beamten ist beurkundet, ebenso die verzweifelten Versuche der jeweiligen Amtsinhaber, dagegen zu wirken. Im sechzehnten Jahrhundert verlor das Amt des Burggrafen endgültig auch die letzten Reste seiner früheren Bedeutung, und es wurde aufgelöst.
Im Wesentlichen handelt mein Roman von der Macht der Manipulation; nicht zuletzt erliegt auch Peter Bernward lange Zeit über den Machenschaften Gregor von Weidens. Selbst in dem Augenblick, in dem er erkennt, dass Gregor mit ihm gespielt hat – außerhalb des Fugger'schen Hauses –, wird ihm nicht bewusst, dass Gregor mit seinem scheinheiligen Geständnis ihn nur wieder aufs Neue manipuliert. In diesem Sinne habe ich auch die Thematik der Nigromantie abgehandelt, die im späten Mittelalter weit verbreitet war und von eher lächerlich anmutenden Experimenten (der kleine König auf dem Fingernagel eines Knaben) bis zu blutigen Beschwörungszeremonien reichte. Allen Auswüchsen gemeinsam ist der feste Glaube, Dämonen oder die Geister der Totenheraufbeschwören und zum Gehorsam zwingen zu können, um Dienste für den Nigromanten zu leisten. Die Praktik wäre nicht so lange beliebt gewesen, wenn sie nicht den einen oder anderen Erfolg gezeitigt hätte, und das ist es, was für mich die Verbindung zur Manipulation herstellt. Ob es sich um Legion handelt oder die Mitglieder von Gregors Sekte oder um den schwachsinnigen Begleiter von Hilarius Wilhelm, sie alle sind Täter und Opfer zugleich, Opfer der Manipulationen, denen man sie – beabsichtigt oder nicht – unterworfen hat und die sie am Ende glauben ließen, was man sie glauben machte. Wenn ein Mensch glaubt, dass etwas Schlechtes auf ihn zukommt, so wird sein Geist schwach und das Übel nimmt seinen freien Lauf; so erklärt Ralph Higden, und diese Aussage lässt sich auf alles anwenden, was ein Mensch nur glauben mag. Hilarius Wilhelms trunkene Überzeugung, einen Dämon herbeizitieren zu können, um den Männern zu schaden, die ihn gedemütigt haben, ist es, die die drei Morde begeht; der schwachsinnige Knabe ist lediglich Werkzeug für diesen Glauben.
Was die Familie Hoechstetter betrifft, die zu jener Zeit tatsächlich die Nummer eins in Augsburg war und deren Name im weiteren Verlauf der Geschichte hinter denen der
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