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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sie dann gleichzeitig peinlich übertrieben in ihrer Größe und ebenso peinlich allein.
    Ich hatte selten gebetet seit der Zeit, als meine Frau Maria im Kindbett umgekommen war. Das Innere von Kirchen hatte ich kaum mehr aufgesucht nach dem Tag, an dem Bischof Peter und ich im Streit auseinander gegangen waren und uns in diesem Leben nicht mehr wiedergesehen hatten. Wenn ich zu Gott Verbindung aufgenommen hatte, hatte ich mit ihm gehadert oder ihn in klammer Verzweiflung um Hilfe angefleht; wenn ich eine Kirche betreten hatte, dann, weil die Konventionen mir keine andere Chance ließen oder weil ich jemandem einen Gefallen tun wollte. Ich hatte in den Tempeln Gottes gestanden und vergeblich nach dem ehrfürchtigen Frieden gesucht, den ich als Kind dort stets empfunden hatte.
    Es gelang mir auch jetzt nicht, ein passendes Gebet zu finden. Ich starrte die groteske Gestalt auf der Deckplatte des Kenotaphs an und erinnerte mich an das letzte Mal, als ich dem Lebenden gegenübergestanden hatte. Bereits weit in den Siebzigern, war Bischof Peter immer noch ein kräftiger Mann gewesen, dem man die Strapazen des überstandenen Markgrafenkrieges kaum angesehen hatte; meine Abschiedsworte, mit kalter Verachtung hervorgestoßen, schienen ihn härter zu treffen als die Entbehrungen der letzten zwei Jahre. Ich versuchte, mir nicht die alleinige Schuld dafür zu geben, dass mit meinem Abgang der körperliche Niedergang meines Freundes eingesetzt hatte. Noch im selben Jahr hatte ich gehört, dass er von Papst Pius seinen Koadjutor und Nachfolger hatte benennen lassen: Graf Johann von Werdenberg, den heutigen Bischof. Bischof Peter hatte noch sechs Jahre gelebt, zurückgezogen und die Amtsgeschäfte beinahe vollkommen Graf Johann überlassend. Seinen Tod hatte ich nur durch einen Nebel wahrgenommen; ein Jahr zuvor war meine Frau Maria gestorben und mit ihr alles, was mich im Leben bewegt hatte.
    Bischof Peter und ich hatten uns über eine Plünderungwährend des Krieges entzweit, bei der zwei Kinder und ein alter Mann ums Leben gekommen waren. Ihren Tod hatte der Bischof mich aus politischen Erwägungen nicht rächen lassen, obwohl mir die Täter bekannt waren. Viel später hatte ich eingesehen, dass ich niemals imstande gewesen wäre, Leben für Leben zu nehmen. Vielleicht hatte der Bischof es damals bereits gewusst und verhindern wollen, dass ich meiner Seele um der Rache willen Schaden zufügte. Stattdessen hatte er unsere Freundschaft aufs Spiel gesetzt. Mittlerweile war ich um vieles klüger, doch ich konnte es ihm nicht mehr mitteilen; ich war um neun Jahre zu spät.
    »Sie fehlen mir«, flüsterte ich.
    Ich wischte mir über die Augen und wandte mich zum Gehen. Etwas abseits stand eine Frau mit gebeugtem Kopf und schien gewartet zu haben, bis ich die stille Zwiesprache mit der Erinnerung beendet hatte. Sie nickte mir kurz zu und schob sich an mir vorbei, einen gesunden Geruch nach Gebratenem und Küche ausströmend, sodass sich in all der Trauer um verpasste Gelegenheiten und vertane Freundschaften mein Magen mit einem peinlichen Knurren meldete. Sie blieb vor dem Kenotaph stehen, nestelte eine kleine Kerze aus ihrer Schürze und entzündete sie an meiner. Dann steckte sie sie neben meiner Kerze in die Halterung, machte das Kreuzzeichen und betete flüsternd. Es war kein langes Gebet; sie bekreuzigte sich erneut, blies ihre Kerze aus und nahm sie wieder mit. Es war diese Geste pragmatischer Sparsamkeit, die sie meinem Herzen plötzlich näher rücken ließ. Sie warf mir einen neugierigen Blick zu, als sie wieder an mir vorbei die Seitenkapelle verließ, und strebte dem Hauptportal zu.
    Ich verabschiedete mich von dem Grabmal und eilte der Frau hinterher. Sie schien nicht erstaunt zu sein, als ich neben ihr auftauchte; sie sah mich offen an. »Man findet hier nicht oft jemanden, der vor Bischof Peters Grabmal eine Kerze anzündet«, sagte sie.
    »Ich bin kein Augsburger. Nicht mehr.« Ich spürte den Talgklumpen in der Hand, den ich aus der Halterunggenommen hatte, und zeigte ihn ihr. »Der war nicht Ihrer, nehme ich an?«
    Sie hatte ein rundes Gesicht mit reiner Haut und dunklen Augen, die selbst in der Düsternis der Kirche vergnügt zu blitzen schienen. Unter dem gefältelten Tuch, das wie eine Haube auf ihrem Kopf lag, lugten ein paar Strähnen gekräuselter dunkler Haare hervor; in ihrem einfachen schlichtgrünen Kleid mit der Schürze davor steckte ein kompakter Körper mit ausgeprägten fraulichen Rundungen. Sie

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