Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Augenblick.«
Ich traute mich nicht, den Kopf zu heben.
»Hardo von Nirgendwo, wart Ihr jemals in Neuwied?«
»Wohledler Herr, ich werde es nicht leugnen. Aber wenn Ihr auch nur einen Funken Güte kennt, dann gebt mir einen Vorsprung«, flüsterte ich verzweifelt.
»Mhm. Ich kenne keinen Funken Güte. Aber ich bin verdammt neugierig. Erzählt mir Eure Geschichte, dann will ich entscheiden, wie groß Euer Vorsprung sein soll.«
Worte - meine Waffen, mein Schutzschild, meine Rüstung.
Ich erzählte um mein Leben - die Mär kennt Ihr. Erasmus von der Heyd hörte zu, Stunde um Stunde. Ismael gesellte sich zu uns, und auch er berichtete. Das Feuer im Kamin war niedergebrannt, die Weinkannen leer, die Krümel vom Tisch gewischt. Selbst der Wirt war schon in seine Kammer gegangen. Ich erzählte, der Kaufmann lauschte, fragte dann und wann etwas, das ihm wichtig erschien. Und schließlich war ich mit meiner Reise in Mainz angekommen, an jenem Tisch, an dem wir saßen, und er nickte.
»Geht in Frieden schlafen, Meister Hardo Lautenschläger. Wir wollen morgen früh ausgeruht über Eure Zukunft nachdenken.«
Ich machte eine Pause und spielte, ohne zu singen, die Melodie des Liedes, doch ohne Trommelschlag und auf trauervolle Weise. Loretta kochte. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie sich gleich selbst verraten. Meine Herrin grinste und tuschelte mit ihrer Freundin.
Ich beendete mein Saitenspiel und machte mich daran,
den letzten Teil für diesen Abend zu berichten. Ich würde es kurz halten müssen - zum einen, weil die drückende Luft und das dräuende Gewitter die Aufmerksamkeit schwinden ließ, zum anderen, weil ich das Ende meiner Geschichte für den nächsten Abend vorgesehen hatte.
Todmüde wankte ich in jener Nacht in meine Kammer, doch die Sorgen ließen mich nicht ruhen. Erst in den Morgenstunden fand ich einen dünnen Schlummer, aus dem Ismael mich mit einem kräftigen Rütteln weckte. Der Handelsherr wünschte mich zu sprechen.
Ein Topf mit Brei, Honig und gedörrten Früchten wartete auf dem Tisch am Kamin, und Erasmus von der Heyd bat mich, mit ihm das Morgenmahl einzunehmen.
Ich bekam kaum einen Löffel hinunter, und als er das bemerkte, lächelte er mich an.
»Was haltet Ihr davon, nach Speyer zu gehen?«
»Jeder Ort hat seinen eigenen Reiz«, gab ich vorsichtig zurück. »Gewiss auch Speyer.«
»Ja, es ist eine schöne Stadt, das Klima ist mild, der Wein süß, der Dom beeindruckend. Und mein Haus ist groß, meine Lager gefüllt, reichlich Arbeit wartet darauf, getan zu werden. Ich könnte ein, zwei Gehilfen brauchen, die zu handeln verstehen, die mit Zahlen umgehen können und die bereit sind, auf Reisen zu gehen.«
»Wohledler Herr?«
Ich konnte es kaum glauben, was er mir da anbot. Die Worte, die mir ansonsten mit Leichtigkeit von den Lippen flossen, blieben in meiner Kehle stecken, ich konnte nicht einmal mehr stammeln. Ismael trat mir unter dem Tisch ans Schienbein, und erst da fasste ich mich.
Ja, das Angebot würde ich annehmen. Und auch mein junger Begleiter sprudelte Dank hervor.
Auf diese Weise gelangten wir in die wunderschöne Stadt Speyer, bezogen Wohnung in dem großen Patrizierhaus, arbeiteten im Lager und im Kontor, bis wir das Geschäft
mit den Waren aus dem Morgenland und den italienischen Städten verstanden. Ich legte meinen selbst gemachten Meistertitel ab, er gebührte mir als Handelsknecht nicht. Und Lautenschläger mochte ich mich nach dem Verlust meines Instrumentes auch nicht mehr nennen. Und so wurde ich unter den Kaufleuten bekannt als Hardo von Langel.
Ein Weinkrug fiel um, ergoss seinen Inhalt über den Gelehrten am linken Tisch. Ich unterdrückte ein Lächeln. Da war soeben jemandem eine erschütternde Erkenntnis gekommen. Ich tat jedoch so, als hätte ich den Zwischenfall nicht bemerkt, und erzählte weiter.
Im Frühjahr unternahm ich meine erste Reise. Wir suchten die Messe in Straßburg auf, und mir gefiel das bunte Treiben der Kaufleute und Händler, der Gaukler und Musikanten, der Dirnen und Krämerinnen. Fremde Zungen hörte ich, Männer in ungewöhnlichen Roben, mit gebärdenreicher Sprache und kalten, berechnenden Augen. Ich lernte mein Talent auf völlig neue Art kennen. Das Handeln fiel mir leicht, aber leicht fiel es mir auch, die Sprachmusik zu verstehen. Ich eignete mir Brocken von dem und von jenem an, lernte all die fremdländischen Münzen umzurechnen, führte meine Aufzeichnungen, und mein Herr war zufrieden mit mir und auch
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