Das Spiel des Saengers Historischer Roman
müssen.«
»Heute Nachmittag.«
»Ist recht.«
Wir fragten Ida, welche Arbeiten wir übernehmen sollten, und sie bat uns, die schweren Kranzleuchter im Rittersaal endlich mit neuen Kerzen zu bestücken. Ismael half mir, ein Brett auf zwei Böcke zu legen, sodass ich an den eisernen Reifen gelangen konnte, um erst mit dem Messer das heruntergebrannte Wachs abzulösen und dann die neuen Kerzen auf die Dornen zu stecken. Er selbst aber wollte sich wieder mit den Ziegen vergnügen.
Ich werkelte also in dem leeren Saal vor mich hin, als sich die Tür öffnete und die Äbtissin hereinrauschte. Sie baute sich an meinem wackeligen Gestell auf und befahl: »Komm da runter, Hardo. Ich habe mit dir zu reden.«
Der Meister Lautenschläger war also durchschaut, der ehemalige Tölpel wieder an seine Stelle getreten.
»Sehr wohl, ehrwürdige Mutter«, antwortete ich beflissen, steckte aber in Ruhe die letzten Kerzen auf und sprang dann nach unten.
Ich mag keine Überraschungen, aber diese hatte ich geahnt.
»Zu Diensten, ehrwürdige Mutter.«
»Was bildest du dir eigentlich ein, hier aufzutauchen und den Gockel zu spielen?«
»Nichts, ehrwürdige Mutter!«
»Hör auf, den Trottel zu mimen!«
»Gelte ich nicht schon von der ersten Stunde meines Lebens an als Trottel?«
Ihr üppiger Busen wogte unter dem schwarzen Habit, und ihre Miene zeigte brennenden Zorn.
»Ja, du spielst und gaukelst uns etwas vor. Was soll das? Was willst du damit gewinnen?«
»Hätte ich etwas zu gewinnen, ehrwürdige Mutter?«
Sie fauchte förmlich vor Wut.
»Wenn du hergekommen bist, um einen Anspruch auf das Lehen zu erschleichen, Hardo, dann werde ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, das zu verhindern. Ulrich von der Arken wird genau von mir erfahren, dass du der Sohn des Mörders ist, den er selbst überführt hat.«
»Bemüht Euch nicht, ehrwürdige Mutter, er weiß es längst.«
Ihr Unterkiefer verlor kurzfristig seinen Halt und senkte sich. Aber sie fing sich rasch.
»Und ich habe ihn für einen achtbaren Mann gehalten. Weiß Gott, wie man sich irren kann. Aber er wird dir die Burg nicht zusprechen, darum kümmere ich mich schon. Und solltest du dich, du mieser kleiner Maulheld, noch ein einziges Mal meiner Tochter nähern, dann werde ich eigenhändig dafür sorgen, dass du hier auf dem Hof ausgepeitscht wirst.«
»Seltsame Gelüste habt Ihr für ein frommes Weib«, sagte ich und grinste sie anzüglich an.
Sie kollerte.
Ich wartete.
Es dauerte nicht lange.
»Du unverschämter Lump, du niederträchtiger Tagedieb, du frecher …«
»Minnesänger, ehrwürdige Mutter, Minnesänger.«
»Du und dieser dreckige Levantiner, ihr habt euch
das schön ausgedacht, was? Den Ritter rumzukriegen oder meine Tochter, damit du dir das Lehen ergaunern kannst.«
»Ich würde Ismael nicht eben als dreckigen Levantiner bezeichnen, ehrwürdige Mutter. Er ist ein sauberes Kerlchen und steht nicht im ungewaschenen Ruch der Heiligkeit.«
Ach ja, man konnte sie wunderbar reizen. Mit einem halben Blick nahm ich wahr, dass Ulrich an der Tür stand und interessiert zuhörte.
»Er ist ein schmieriger kleiner Gauner und treibt es mit den Weibern wie mit den Männern, so wie er sich spreizt.«
»Richtig, derzeit vergnügt er sich mit den Ziegen im Stall. Ihr scheint eine vortreffliche Kenntnis aller Laster zu haben, ehrwürdige Mutter.«
»Genug, um sie zu erkennen, wenn ich sie sehe - oder höre! Besonders deine, du mit deinen unsauberen Liedchen und Geschichten. Du wirst das einstellen, verstehst du mich? Du wirst sofort aufhören, diese unsägliche Mär zu erzählen!«
»Ich höre Euch zu, ehrwürdige Mutter. Und verstehen tue ich Euch auch.« Ich grinste breiter. »Ihr fürchtet wohl, ich könne etwas enthüllen, das Ihr lieber verbergen möchtet? Was sollte das sein? Vertraut Euch mir an, dann weiß ich, welche Peinlichkeit ich verschweigen soll.«
Sie gab ein gluckerndes, halb ersticktes Geräusch von sich.
»Meister Hardo wird seine Geschichte erzählen, ehrwürdige Mutter, und zwar genau so, wie es ihm gefällt«, ließ sich Ulrich vernehmen und kam näher. Auch ihn traf ein flammend wütender Blick.
»Ihr wisst, wer er ist, und verteidigt ihn noch?«
»Er hat Euren Gatten nicht umgebracht. Und die Sünden der Väter haben nicht die Söhne zu tragen. Was mich aber zu der Frage bewegt, ehrwürdige Mutter - wo habt Ihr Euch wirklich aufgehalten, als der Burgvogt vom Turm fiel?«
»Das hat Euch gar nichts
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