Das Spiel des Saengers Historischer Roman
gesehen zu haben.«
Ismael ließ sich zu einer weiteren Lüge hinreißen und sagte: »Ja.«
»Die Mär, die Hardo uns erzählt, ist nicht erfunden, nicht wahr?«, wollte Dietrich wissen.
»Nein.«
»Sie handelt von ihm selbst, und er wird sich damit gewaltigen Ärger zuziehen.«
»Vermutlich.«
»Einige Leute hier kennen ihn und fürchten, dass sie in seiner Erzählung irgendwann auftauchen werden.«
»Richtig.«
Und Puckl fügte hinzu: »In wenig ruhmreichen Rollen, nehme ich an.«
»Auch das ist richtig.«
»Weshalb ich jetzt meine Runde zur Kapelle mache. Dein Meister hat nämlich auch dem Letzten unter den Zuhörern klargemacht, dass er nicht ohne Absicht hier ist.«
»Ich war eben in der Kapelle.«
»Kann nicht schaden, wenn ich gleich auch noch mal gehe.«
»Cuntz hat Dreck am Stecken«, murmelte Puckl.
»Er und andere auch«, sagte Ismael leise. »Aber das offenzulegen müssen wir meinem Meister überlassen. Wir sollten lediglich wachsam bleiben.« Und dann rutschte ihm gegen seinen Willen heraus: »Ich habe Angst um ihn.«
Seine beiden Freunde sahen ihn leicht überrascht an. Verlegen wand sich Ismael auf seinem Lager hin und her.
»Man hat mit der Armbrust auf ihn geschossen, gleich am ersten Morgen, kurz bevor der Vogt starb.«
»Wer?«
»Weiß er nicht. Oder sagt er nicht. Er hatte wohl deinen Ritter in Verdacht.«
Dietrich fuhr auf, wollte etwas sagen, hielt aber dann die Luft an. Sehr langsam stellte er seinen Becher ab und sah Ismael an.
»Nein, das glaube ich nicht. Herr Ulrich redet wenig über das, was er tut oder plant, aber über Meister Hardo hat er immer nur gut gesprochen.«
»Ich sag ja auch nur, dass er den Verdacht hatte . Jetzt glaubt er es nicht mehr. Aber irgendwas hat der Oheim deines Ritters damit zu tun, dieser Sänger Urban. Hat er dir von dem schon mal etwas erzählt?«
Dietrich schüttelte den Kopf.
»Nein, von seiner Familie spricht er nie. Manchmal denke ich, es wäre besser, er täte es. Er … er will alles immer alleine machen. Ich weiß auch, dass Fräulein Casta sich deshalb grämt«, fügte er traurig hinzu.
»Darum wird sich meine Base schon kümmern«, sagte Puckl. »Engelin hat sie sehr gern, und sie ist eine pfiffige Maid.«
»Fürwahr«, sagte Ismael. »Fürwahr.«
»Kennst du sie etwa auch schon von früher?«
Ein geheimnisvolles Lächeln war alles, was er darauf antwortete.
»Verflixt, sie war doch im Kloster und danach bei meiner Mutter - Scheiße!«
»Was?«
»Line, nicht wahr?«
»Meine Lippen sind versiegelt.«
Dietrich kicherte unerwartet.
»Du besitzt ja doch einen Rest von Ehre, Ismael. Wie erschütternd! Wechseln wir also das Thema. Habt ihr gemerkt, dass der Schweifstern blasser geworden ist?«
»Und kein Unglück ist über uns gekommen«, ergänzte Puckl.
»Doch, der Vogt ist ermordet worden.«
»Ob das ein Unglück war, wird sich zeigen«, murmelte Ismael.
»Nun ja, für ihn gewiss. Aber sag mal, Ismael, was hat es mit dem Unglücksstern auf sich, von dem dein Meister hin und wieder spricht? Stand bei seiner Geburt auch ein Schweifstern am Himmel?«
»Nein, davon hat er mir nichts berichtet. Aber was immer die Menschen über die Sterne sagen, muss nicht stimmen. Ich meine, mein Meister steht eigentlich mehr unter einem Glücksstern, soweit ich ihn kenne.«
Puckl kratzte sich hinter den Ohren, dann nickte er.
»Na ja, wenn das alles stimmt, was er erzählt hat, dann hat er ja wirklich einige sehr gefährliche Abenteuer lebend überstanden.«
»Ja, lebend. Aber damals im Kerker - da war er schon sehr nahe dran, diese Welt zu verlassen«, antwortete Ismael und unterdrückte ein Schaudern. Die dunklen Tage und Nächte, die er mit Hardo in dem fauligen Stroh verbracht hatte, in denen dieser fiebernd und frierend um sein Leben gerungen hatte, gehörten zu seinen entsetzlichsten Erinnerungen. Viel wirres Gestammel hatte er von dem halb bewusstlosen Mann zu hören bekommen, manche Dinge waren einfach nur grauenvoll. Nicht nur die Schmerzen der Wunde hatten ihn gequält, auch die Dämonen in seinen Träumen. Es war die Zeit, in der Ismael manche Nacht seinen zitternden Körper festgehalten und die Angst kennengelernt hatte, einen guten Freund sterben zu sehen.
Aber darüber wollte er jetzt nicht sprechen. Denn wenn sie beide auch schließlich entkommen waren, dann nur durch eine noch größere Schuld, die er selbst auf sich geladen hatte. Mit einiger Anstrengung drängte er die Erinnerung zurück und grinste Dietrich und
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