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Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Titel: Das Spiel - Laymon, R: Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sich aber nicht, Brace danach zu fragen. Sie wollte die Stille nicht durchbrechen.
    Er konnte überall lauern.
    Vielleicht so nahe, dass er sie berühren oder ihr Flüstern hören konnte. Sie griff nach Braces Arm, aber er bemerkte es nicht und ging weiter. Ihre Hand fuhr ins Leere.
    Lass mich nicht allein hier zurück!
    Sie rannte hinter ihm her. Zum Glück dämpfte das weiche, taufeuchte Gras ihre Schritte. Wir müssen so leise wie
möglich vorgehen, ermahnte sie sich. Trotzdem hörte sich ihr Atem unerträglich laut an. Mit ihrer linken Brust stieß sie gegen eine der Säulen. Es tat zwar nicht sonderlich weh, aber der oberste Knopf ihrer Bluse löste sich. Sie schloss ihn wieder, und dann hatten sie das Säulenlabyrinth auch schon hinter sich gelassen.
    Sie blieb stehen und senkte die Arme. Brace wandte sich zu ihr um und streckte die Hand aus. Sie griff danach und drückte sie.
    Vor ihnen stand die Statue von Crazy Horse.
    Sie war fast doppelt so groß wie ein normaler Reiter und glänzte schwarz im Mondlicht.
    Sie war wunderschön.
    Der Hengst streckte seinen schlanken Körper in vollem Galopp. Mähne und Schwanz wehten. Er war nur am linken Hinterhuf mit dem Podest verbunden, die anderen Beine ragten in einem endlosen Sprung in die Luft.
    Auf dem ungesattelten Rücken des Hengstes ritt Crazy Horse, der Häuptling der Sioux. Bis auf einen Lendenschurz war er nackt. Er war vornübergebeugt und hatte eine Hand zur Faust geballt. In der anderen trug er eine Lanze. Sein Mund war weit geöffnet, als würde er einen Kriegsschrei ausstoßen. Sein langes Haar und der Lendenschurz flatterten hinter ihm im imaginären Wind, der auch die Mähne des Hengstes zerzauste.
    »Was halten Sie davon?«
    »Meine Güte.«
    Sie gingen darauf zu. Jane lehnte sich an Brace, und er legte einen Arm um ihre Schultern.
    »Wer war der Künstler, Frederic Remington?«
    »Ein Typ namens Pat Clancy aus der Klasse von ’39. Dies hier ist das einzige Kunstwerk, das er vor dem Krieg fertiggestellt
hat. Sein Flugzeug stürzte ’43 irgendwo über dem Himalaja ab. Jetzt liegt er wohl für immer auf dem Mount Everest.«
    Jane fehlten die Worte. Sie seufzte. »Man sollte sie nicht hier verstecken. Jeder sollte sie betrachten können«, sagte sie mit feuchten Augen.
    »Ja. Vielleicht, irgendwann …«
    »Ich wusste nicht einmal, dass sie überhaupt existiert. Wenn Sie mich nicht hierhergeführt hätten …«
    »Ich habe nur geholfen«, sagte er. »Ihr Freund Mog hat Sie hierhergeschickt.«
    Jane wandte ihren Blick wieder Crazy Horse zu. »Stimmt«, flüsterte sie. »Wie seltsam. Und ich hatte solche Angst vor ihm, aber was hat er schon getan? Er hat mir Geld gegeben, mich zu einem großartigen Roman wie ›Schau heimwärts, Engel‹ geführt und mir schließlich diese fantastische Statue gezeigt. Warum sollte ich mich vor ihm fürchten?«
    »Ja, vielleicht gibt es dazu keinen Grund«, sagte Brace.
    »Aber man kann nie wissen«, sagte Jane. »Vielleicht will er nur mein Vertrauen gewinnen. Und dann – wumm! «
    »Möglich.«
    Jane nickte. »Alles ist möglich, oder?«
    »Stimmt.«
    »Aber wissen Sie was? Selbst wenn er sich als ein teuflischer, abgrundtief böser Widerling herausstellt, habe ich wenigstens diese wunderschöne Statue gesehen. Und Sie habe ich auch kennengelernt.«
    »Also dafür bin ich ihm wirklich dankbar.«
    Sie sahen sich in die Augen.
    Jane wusste, dass er sie in die Arme nehmen wollte. Sie fühlte es – jeden Augenblick konnte es geschehen. Er würde sie umarmen und küssen und niemals aufhören.

    Oh Gott. Ich bin noch nicht bereit. Das passiert alles zu schnell, viel zu schnell!
    Das geht nicht!
    »Also«, sagte Brace. »Was glauben Sie, wo ist der Brief?«
    »Was? Ach so. Ich weiß nicht.«
    »Irgendwo in der Nähe des Pferds wahrscheinlich. ›Mach doch um Mitternacht einen Ausritt.‹«
    »Aber es ist doch noch nicht Mitternacht, oder?«, fragte Jane.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, alles klar. Bin nur etwas nervös. Wie spät ist es?«
    Brace warf einen Blick auf die Uhr. »Erst halb zwölf. Aber das macht ja keinen Unterschied. Wenn wir am richtigen Ort sind und er wirklich die Kette durchgeschnitten hat, ist er längst wieder verschwunden.«
    »Vielleicht.«
    »Sie wollen doch jetzt nicht gehen und um Mitternacht wiederkommen?«
    »Nein. Wir sehen uns einfach mal um.«
    »Vielleicht ist der Brief irgendwo auf der Statue festgeklebt«, sagte Brace. »Aber überprüfen wir erst einmal die einfacher zugänglichen

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