Das Spiel - Laymon, R: Spiel
war nichts zuhören.
»Ich gehe jetzt rein!«
Sie setzte einen Fuß auf die morschen Bretter der Veranda.
Hoffentlich krache ich nicht durch.
Vielleicht war es eine Falle. Eine gemeine Überraschung, wie der Hund letzte Nacht. Der Boden gibt unter mir nach, und ich falle in ein tiefes Loch, in dem vielleicht Glasscherben oder irgendwelche spitzen Dinge sind – eine Mistgabel zum Beispiel.
Aber er wollte sie ja nicht umbringen. Das würde das Spiel beenden. Er wollte sie nur herausfordern, nicht ins Jenseits schicken.
Ein schwacher Trost. Er kann schließlich nicht alles bedenken. Zum Beispiel, wie morsch das Holz unter meinen Füßen ist.
Sie holte tief Luft und ging einen Schritt nach vorn. Das Holz ächzte. Schnell eilte sie durch die Tür ins Haus.
»Gott sei Dank«, flüsterte sie.
Der Holzboden im Haus selbst schien sehr solide. Sie
ließ den Strahl der Lampe durch den Raum gleiten und erkannte Regale, ein Waschbecken, einen alten Ofen und den Kühlschrank. Das musste einmal die Küche gewesen sein.
Die Kühlschranktür war rostig, verbeult und mit Einschusslöchern übersät.
Jemand hatte sie wohl als Zielscheibe benutzt.
Na wunderbar, dachte Jane.
Vielleicht hatten sie erst jemanden hineingesteckt.
Was für ein reizender Gedanke.
Sollte sie ihn aufmachen und nachsehen?
Da ist keine Leiche drin, versicherte sie sich. Das könnte man ja wohl riechen.
Kommt drauf an, wie lange sie da schon liegt.
Das will ich gar nicht wissen.
Und wenn der Umschlag im Kühlschrank ist?
Sie ging auf den Kühlschrank zu. Es war ein uraltes Modell mit einem altmodischen Griff zum Herunterdrücken. Sie waren schon lange verboten – Kinder hatten sich darin eingeschlossen und waren gestorben.
So ein altes Spukhaus zog bestimmt viele Kinder an. Als Mutprobe. Hier konnte man bestimmt gut Verstecken spielen.
Vielleicht hatte sich eines der Kinder im Kühlschrank versteckt, und seine Freunde hatten es nie gefunden?
Sie konnte sich nicht daran erinnern, etwas über ein vermisstes Kind gehört zu haben, aber so lange wohnte sie ja noch nicht in der Stadt. Vielleicht vor einem, zwei oder fünf Jahren …
Es könnte genauso gut morgen passieren.
Jemand hätte schon längst diese Tür abmontieren sollen.
Sie klemmte sich die Taschenlampe unter die rechte
Achsel, richtete die Pistole auf den Kühlschrank und legte die linke Hand um den Griff.
Ruhig bleiben. Was immer du jetzt auch findest …
Sie löste die Sicherung der Pistole und legte den Zeigefinger um den Abzug.
Dann drückte sie den Griff herunter. Die Tür öffnete sich quietschend.
Nichts.
Nichts, was ihr gefährlich werden könnte oder Angst machte.
Nur ein weißer Umschlag, der mit Klebeband am obersten Fach befestigt war und auf dem ihr Name geschrieben war.
Der erste Versuch und – Volltreffer!
Jane war zu nervös, um erleichtert zu sein.
Das war viel zu einfach.
Mit der linken Hand löste sie den Umschlag vom Kühlschrankfach. Er war beruhigend schwer und dick.
Er ist es. Ich kann endlich hier raus.
Ein Teil von ihr hatte seine Zweifel daran.
Sie sicherte die Pistole und ging zum Küchenregal. Mit beiden Händen öffnete sie den Umschlag.
Wie üblich war ein liniertes Blatt Papier um die Geldscheine gefaltet. Sie fächerte die Banknoten auf. Lauter Hunderter.
Sechzehn Stück.
Ein warmes Gefühl durchströmte sie.
Das war leicht, dachte sie. Wirklich leicht. Aber gut. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte aufgegeben. Wahrscheinlich war das Mog auch bewusst gewesen.
Sie steckte das Geld in die Gesäßtasche und spürte das Bündel an ihrer Hinterbacke.
Alles für mich. Einfach unglaublich. Nur ein bisschen Mumm, und schon …
Sie hielt die Nachricht in den Lichtkegel der Lampe.
Liebste,
das Spiel geht weiter. Schnell hinauf ins Schlafzimmer. Du wirst es nicht bereuen.
Gruß & Kuss,
MOG
20
Ernüchtert las Jane die Nachricht noch einmal durch.
Kein Wort davon, dass das Spiel für heute vorüber war – es sollte hier und jetzt weitergehen.
»Na wunderbar«, murmelte sie.
Sie wollte nicht hinaufgehen, schon gar nicht ins Schlafzimmer. Sie wollte nach Hause.
Wenn ich das Geld habe, ist es vorbei! So sind die Regeln!
Nicht unbedingt, erinnerte sie sich. Am ersten Tag hatte sie dreimal Geld erhalten: Fünfzig am Schalter, Hundert in »Schau heimwärts, Engel« und Zweihundert auf der Statue von Crazy Horse. Dann war ihr pro Nacht nur eine Aufgabe gestellt worden. Irgendwie hatte sie sich an diesen Rhythmus
Weitere Kostenlose Bücher