Das Spiel - Laymon, R: Spiel
können.
Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend starrte sie darauf.
Sie sollte das nicht tun. Wenn das Fenster einschlug, war sie nichts anderes als ein gewöhnlicher Verbrecher.
Aber die Fünfzigtausend hinter dem Fenster gehören mir!
Vorausgesetzt, korrigierte sie sich, ich habe genug Mumm, um einzusteigen und sie zu holen.
Dieses Haus war keine verlassene Ruine neben einem Friedhof. Hier wohnten möglicherweise ganz normale Leute. Ob sie nun zu Hause waren oder nicht – es war ihr Eigentum.
Wenn sie durchs Fenster stieg, war das Einbruch. Nach amerikanischem Gesetz waren die Bewohner berechtigt, einen Einbrecher, den sie auf frischer Tat ertappten, zu erschießen.
Niemand wird mich erschießen. Weil überhaupt niemand zu Hause ist.
Was, wenn eine Alarmanlage installiert war? Oder die Cops zufällig vorbeikamen? Die könnten sie ebenfalls erschießen oder zumindest ins Gefängnis stecken.
Wenn sie mich erwischen.
Sie schloss die Augen. »Himmel! Mog, wozu stiftest du mich hier an?«, flüsterte sie und zerschlug die Scheibe mit dem Ende der Taschenlampe. Das Geräusch, mit dem das Glas zersprang, kam ihr entsetzlich laut vor. Sie biss die Zähne zusammen und wartete ab.
Nichts geschah.
Sie griff durch das Loch und öffnete den Riegel des Fensters. Dann schob sie es auf.
Und jetzt wollen wir doch mal sehen, was zum Teufel …
Sie schaltete die Taschenlampe an.
Der Lichtstrahl traf auf einen dicken schwarzen Vorhang.
Oh Mann.
Sie schaltete die Lampe wieder aus und zog das Messer aus der Tasche. Dann streckte sie langsam den Arm aus, bis ihre Hand den schwarzen Stoff berührte. Er fühlte sich an wie eine dicke, kratzige Wolldecke und gab kaum nach. Anscheinend handelte es sich nicht um einen Vorhang, sondern um ein vor das Fenster gespanntes Tuch.
Hier legte jemand wirklich großen Wert auf seine Privatsphäre. Oder auf absolute Finsternis.
Sehr verdächtig.
Jane stach mit der Messerspitze in den Stoff und schnitt einen kleinen Schlitz hinein, durch den ein schwacher Lichtstrahl fiel.
Sie steckte die Taschenlampe weg und spähte durch den Schlitz.
Der Raum sah nach Arbeits- oder Wohnzimmer aus. Viel konnte sie nicht erkennen. Nur aus dem angrenzenden Flur drang etwas Licht herein.
Sie riss den Schlitz weiter auf und schaute hindurch. Niemand. Sie lauschte. Keine Musik, keine Stimmen – es war nichts zu hören.
Toll, dachte sie. Und jetzt?
Ganz oder gar nicht, heißt die Devise.
Aber ich will hier nicht einbrechen! Das ist gegen das Gesetz! Und es ist nicht richtig! Wenn ich das jetzt tue, gehe ich wirklich einen Schritt zu weit.
Nichtsdestotrotz wartete ihr Geld in diesem Haus auf sie. Sie hatte ja nicht die Absicht, etwas zu stehlen.
Scheiß drauf, dachte sie. Die Fensterscheibe habe ich ja schon zerstört.
Sobald ich das Geld von Mog gefunden habe, lasse ich ihnen ein paar Hunderter da, damit sie die Scheibe reparieren können.
Dieser Einfall gefiel ihr. Schadenersatz. Sie hatte keinen Grund, knauserig zu sein. Im Gegenteil – die Besitzer sollten sich freuen, dass sie eingebrochen war.
Ob eintausend Dollar ausreichen würden?
Egal – jetzt ging es erst einmal darum, Mogs Brief zu finden.
Jane fühlte sich jetzt schon viel besser. Sie schnitt die Decke bis zur Fensterbank durch und kletterte in den Raum.
Bewegungslos stand sie da und hielt den Atem an. Wie seltsam es sich anfühlte, ohne Erlaubnis in einem fremden Haus zu sein. Einerseits war es ein großartiges Gefühl, andererseits machte es sie sehr verwundbar.
Ohne die Angst, erwischt zu werden, wäre so eine Aktion ein Riesenspaß.
Ob es Mog genauso ging? Schließlich spazierte er ja auch durch ihr Haus, wie es ihm gerade passte. Er hatte irgendwie die Fähigkeit, unbemerkt zu kommen und zu gehen …
Jetzt aber an die Arbeit. Es schien niemand hier zu sein, aber wer auch immer hier wohnte, konnte jeden Moment nach Hause kommen. Besser, sie erledigte das, wozu sie gekommen war, und verdrückte sich so schnell wie möglich.
Sie schaltete die nächstbeste Lampe ein.
Ich hätte mir Handschuhe anziehen sollen, dachte sie.
Meine Güte! Wer hätte gedacht, dass ich mir jemals um meine Fingerabdrücke Gedanken machen muss?
Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen: Bücherregale, Lampen, ein Schreibtisch, ein paar kleine Tische, ein Sessel und ein Bild an der Wand, das ihr bekannt vorkam. Es war die Kopie eines Gemäldes von Goya, auf dem ein
Riese dargestellt war, der gerade einem armen Kerl den Kopf
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