Das Spiel - Laymon, R: Spiel
…?«
Sie lachte wieder. »Für ’nen Krüppel komm ich ganz gut klar. Willst du nicht mal dein Hemd hochheben? Ich will ja nur mal gucken, wie viel an dir dran ist.«
»Vergessen Sie’s. Wer ist noch hier – außer Ihnen, Marjorie und der Neuen?«
»Gail.«
»Und außer Gail sonst noch jemand?«
»Nicht außer . Gail ist die Neue.«
Dieser Name erinnerte sie an irgendetwas.
Eine Galanacht.
»Wo ist Gail?«, fragte Jane.
»Was glaubst du denn?«
»Bitte, sagen Sie es mir.«
Linda blinzelte. »Du weißt ja, was ich von dir will.«
»Schon gut, schon gut.« Jane hob ihr Hemd hoch und entblößte ihre Taille.
»Schön. Du siehst gesund aus. Machst du Sport?«
»Jetzt sagen Sie mir endlich, wo Gail ist.«
»Höher!«
»Hey!«
»Du willst doch wissen, wo sie ist, oder nicht?«
Jane hob das Hemd über ihre Brüste.
»Oh, sehr gut«, sagte Linda. »Komm her, ich will mal fühlen.« Sie streckte den Arm aus.
Jane bewegte sich nicht.
»Wie du willst. Willst du mal meine sehen? Ich hatte zwar schon eine, aber …« Linda zog das T-Shirt hoch.
Jane wandte sich schnell ab und zog das Hemd mit einem Ruck herunter.
»Echt lecker, obwohl Sues besser waren. Nicht, dass viel dran gewesen wäre. Sue war nicht besonders gut bestückt, verstehst du?«
Jane wirbelte herum und rannte zur Tür.
»Willst du gar nicht wissen, wo Gail ist?«, rief Linda ihr hinterher.
Jane taumelte auf den Flur und sah sich um. Niemand war zu sehen.
Während sie die Pistole aus der Tasche zog, rannte sie auf die nächste Tür zu. Sie entsicherte die Waffe und riss die Tür auf.
Anscheinend hatte sie Marjories Zimmer gefunden.
Offensichtlich war Marjorie schon eine ganze Weile länger hier als Linda.
Ihr fehlte praktisch alles. Ein Geschirr aus Ledergurten hielt sie einigermaßen aufrecht.
»Hallo, hallo«, begrüßte sie Marjorie. »Komm doch rein!«
Jane schüttelte den Kopf. Dann musste sie sich übergeben.
»Also«, sagte Marjorie. »Das ist doch keine Art, guten Tag zu sagen. Jetzt sieh dir das leckere Zeug an, das da auf dem Boden liegt. Wie soll ich da rankommen?«
Das muss ein Traum sein. Das ist unmöglich die Realität.
Jane taumelte aus dem Zimmer.
»Kannst du mir nicht eine Tasse voll bringen?«, rief ihr Marjorie kichernd hinterher.
Als Jane die nächste Tür erreicht hatte, dachte sie, dass es eigentlich nicht schlimmer kommen könnte, denn Gail war ja neu hier. Sie drückte die Klinke herunter.
Die Frau auf dem Bett war hochschwanger. Sie hatte noch beide Beine, sie waren gespreizt und an die Bettpfosten gebunden. Plötzlich richtete sie sich auf. Auch ihre Arme waren noch komplett.
Die Frau schien unverletzt zu sein, obwohl sie aussah, als hätte sie eine mehrstündige Folter hinter sich.
»Sie müssen mich hier rausholen!«, schrie sie. »Sie wollen mein Baby! Sie wollen mein Baby!«
»Haben Sie geschrien?«
Sie nickte.
»Liegen Sie in den Wehen?«
»Oh. Nein.«
»Deshalb haben Sie also nicht geschrien.«
»Sie wollen mein Baby fressen!«
»Niemand wird Ihr Baby fressen.«
»Versprochen?«
»Ja. Sind Sie Gail?«
»Ich heiße Sandra.«
»Wo ist Gail?«
»Sie müssen mir helfen!«
»Pst. Ich suche Gail.«
»Bitte.«
»Keine Angst, ich hole Sie hier raus. Wo ist Gail?«
Sandra deutete mit dem Kopf zu ihrer Linken.
Jane rannte in den nächsten Raum. Dort stand eine Frau neben dem Bett und starrte sie aus großen Augen an. Quer über ihren Mund war ein großer Streifen Isolierband geklebt. Ihr dunkles Haar war verfilzt, und sie wirkte verstört und verängstigt. Keiner ihrer Körperteile fehlte. Sie war mit gespreizten Armen und Beinen an die Wand gefesselt. Ein menschliches X, mit engen Stacheldrahtschlingen festgezurrt. Blut strömte aus den Stellen, an denen sich die Stacheln in das Fleisch gebohrt hatten.
Stacheldraht wand sich um ihren Bauch, die Brüste, Arme und Beine, sogar quer über die Stirn. Dünne Blutrinnsale flossen ihre Arme hinunter.
Jane sah sich um. Außer der Frau war niemand im Raum. Und auch von einem Umschlag war nichts zu sehen.
Das hier ist Gails Zimmer. Und »Gail« hört sich ja fast wie »Gala« an. Der Brief muss hier irgendwo sein.
Mit einem Mal fragte sich Jane, wie sie in einer Situation wie dieser an den Brief überhaupt nur denken konnte.
Weil in dem Brief fünfzigtausend Dollar steckten. Deshalb.
Dann meldete sich ihr Selbsterhaltungstrieb. Sie musste so schnell wie möglich hier raus! Und sie musste die armen Frauen in Sicherheit bringen,
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