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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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Ihren Vorlieben nach zu urteilen, werden Sie sich dort wohlfühlen. Und dann finde ich einen Weg, Sie gleich dort drin zu lassen.“
    „Schau an, er will mich ins Gefängnis werfen!“ Luise lachte, und Julius sagte. „Lischka, sie hat bestimmt nichts damit zu tun, sie hat …“
    „Spar dir die Mühe, mein kleiner edler Ritter!“, kicherte Luise. „Du wirst mich nicht retten vor diesem übereifrigen Polizisten. Soll er mich ruhig festnehmen, das gefällt ihm sicherlich. Wo sind denn die Handschellen?“
    Sie schaute sich um und entdeckte die beiden Eisenschellen auf dem Strohballen.
    „Schauen Sie hier, Inspektor. Sie haben bestimmt keine eigenen dabei, oder?“ Und mit spöttischem Grinsen wedelte sie mit den Handschellen vor ihrem Gesicht herum. „Ach, und falls Sie Interesse haben, einen richtigen Verbrecher zu fangen …“ Sie zeigte auf den Hof. „Mein werter Gatte möchte sich gerade aus dem Staub machen.“
    Nun hatte auch Julius es bemerkt. Der Hofrat hatte sich auf den Kutschbock geschwungen, und im nächsten Moment knallte die Peitsche, die Pferde wieherten und bäumten sich auf. Dann zog das Gefährt mit einem Ruck an, und eine Sekunde später preschte es in voller Fahrt über den Hof.
    „Halt!“, brüllte Lischka und zog seinen Revolver erneut aus der Tasche. Doch er schien nicht zu wissen, was er damit anfangen sollte. Auf die Pferde schießen? Auf das Kutschenfenster zielen? Auf die Achse des Wagens? Doch er kam nicht mehr dazu, irgendwohin zu schießen, denn die Kutsche war schon außer Schussweite. Alles, was man hörte, war das gedämpfte Rumpeln der Räder.
    „Nein!“, entfuhr es Julius, und er schlug wütend mit der halberfrorenen Faust gegen die Tür eines der geparkten Gefährte. „Lischka, er fährt nach Triest und will das Bild nach New York verschiffen. Du … wir müssen ihn aufhalten.“
    Luise lächelte still in sich hinein. Nun hatte es also angefangen. Die Hatz, vor der sich der Hofrat so gefürchtet hatte. Zu deren Verhinderung er Unsummen an Saaldiener und Boten, an Aufpasser und an Leute wie Kranzer bezahlt hatte. Und nun war er mit seiner Beute geflohen wie ein feiger Dieb.
    Mal sehen, wie weit er kommt, dachte Luise und fühlte bittere Schadenfreude in sich aufsteigen.
    Der Inspektor war so abgelenkt von der Flucht des Hofrats, dass sie unbemerkt zurück in den Schatten treten konnte. Ihre Anwesenheit war nicht länger vonnöten. Sie würde zurück ins Herrenhaus gehen, eine Tasche packen und so lange warten, bis es hell war. Dann wurde es Zeit, sich langsam von ihrem alten Leben zu lösen.
    Doch in diesem Moment sah sie etwas, was ihr den Atem stocken ließ. Etwas, was sich über sie legte wie die unheimliche Ahnung aus einer Schauergeschichte. Jenseits des Hofes, zwischen den schwarzen Baumstämmen, schälten sich ein paar dunkle Gestalten aus der Nacht. Sie bewegten sich mit der Sicherheit von Urwaldtieren und schlichen sich an. Ihre Anwesenheit war bedrohlich. Viel bedrohlicher als die reflexartigen Gewaltausbrüche des Hofrats und viel schlimmer als Lischkas Anklage. Sie sah, dass deren Aufmerksamkeit den beiden Männern vor der Remise galt.
    Zum ersten Mal an diesem Abend fühlte Luise sich ängstlich. Zeit zu gehen, dachte sie und bezwang ihre Nervosität. Das alles geht dich jetzt nichts mehr an. In Gedanken wünschte sie Julius alles Gute. Dann glitt sie leise zur hinteren Tür.

V
    Kranzers Blut sickerte in einem dicken Rinnsal in den Schnee. Die Kugel war seitlich in den Oberschenkel eingedrungen. Der starke Handlanger des Hofrats krümmte sich mit zusammengebissenen Zähnen auf dem Boden und hielt sich das verletzte Bein.
    „Lassen Sie mich da ran!“, befahl der Inspektor.
    „Sie Scheißkerl …“, presste Kranzer hervor. „Ich werde nie mehr normal gehen können!“
    „Das müssen Sie auch nicht. Im Gefängnis gibt es nur sehr begrenzte Notwendigkeit dazu.“ Lischka band seinen Schal um die Wunde, zog ihn fest, sodass Kranzer noch einmal laut aufjaulte.
    Julius stand daneben und beobachtete die Szene. Kranzer hatte nicht sonderlich viel Blut verloren. Er würde es überleben. Julius fragte sich, ob er Genugtuung empfunden hätte, wenn Kranzer durch den Schuss getötet worden wäre. Doch er fand keine Antwort darauf. Er bebte vor Erleichterung.
    „Wie hast du mich denn gefunden?“, fragte er den Inspektor.
    „Zuerst hab ich die Leiche vom Efrussi gefunden. Und weil du mir erzählt hast, dass die Schattenbach dort ihre Schmuckstücke gekauft hat,

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