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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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verstehen, dass sich etwas tun muss!“ Tscherbas Stimme klang, als würde er Gesetze herunterbeten. „Das Volk verlangt, dass sein Kaiser es schützt, wenn eine derartige Gefahr droht.“
    „Und wie soll dieser Schutz aussehen?“, fragte Lischka müde.
    „In erster Linie will ich, dass Sie diesen Mann finden. Sie sind der zuständige Inspektor. Ich glaube zwar, dass es weit fähigere Männer gibt als Sie, aber das ist meine Sache.“ Er bedachte Lischka mit einem knappen, entschuldigenden Lächeln und fügte hinzu: „Das Kunsthistorische Museum wird bis auf weiteres geschlossen, sollten Sie in fünf Tagen keine entscheidenden Fortschritte gemacht haben. Und ich brauche den Namen von diesem Museumsangestellten. Außerdem will ich, dass Sie einen umfassenden Bericht schreiben, in dem Sie die bisherigen Ermittlungen darlegen.“
    „Was wollen Sie noch alles?“, fragte Lischka aufgebracht.
    Der Leutnant lächelte müde und steinkalt. „Oh, es wird nicht mehr lange dauern, bis der Polizeiminister ebenfalls den Eindruck gewinnt, dass Sie eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Erinnern Sie sich an Ihre vergangenen Fälle? Wo es schon einmal darum ging, einen Serienmörder zu fassen? Ich habe mich ein wenig in Ihren Akten umgesehen, Lischka, und konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie sich gern Zeit lassen mit der entscheidenden Verhaftung. Sollte das auch diesmal der Fall sein, wird man Sie von Ihrem Posten entfernen.“
    Rudolph Lischka erhob sich wortlos und ging zur Tür. Bevor er die Hand auf die Klinke legte, drehte er sich noch einmal zu Leutnant Tscherba um, der gespreizt und selbstgefällig wie eine satte Elster hinter seinem Schreibtisch hockte.
    „Wenn Sie so ein guter Polizist sind, wie Sie zu sein glauben, dann beschaffen Sie sich Ihre Informationen selbst. Und danke für die motivierende Rede. Das wird die Suche nach dem Mörder ungemein beschleunigen.“
    Er ging aus dem Bureau und beeilte sich, die Hofburg zu verlassen. Er hatte plötzlich das Gefühl, als hätte er einen Dolch im Rücken. Mit schmerzenden Gliedern setzte er sich in den nächsten Fiaker und wies den Fahrer an, ihn zum Schottenring fahren.
    Als er sich in die weichen Polster der Sitze sinken ließ, überkam ihn die Gewissheit, dass Tscherba recht hatte. Lischkas Karriere als Kriminalinspektor war nicht gerade glänzend verlaufen. Der Tod von Charlotte hatte ihm den Sinn an der Jagd nach Mördern und Gewalttätern genommen. Irgendwo auf diesem langen Weg war er müde geworden. Und auch jetzt hätte er am liebsten eine schwere Bettdecke über diese Müdigkeit gebreitet. Vielleicht sollte er die Leitung der Ermittlungen wirklich abgeben. Er wollte diesen Menschen nicht jagen. Er wollte überhaupt nichts mit diesem Wesen zu tun haben.
    Lischka legte die Stirn gegen das eisige Glas des Droschkenfensters.
    Sei vernünftig, sagte er sich. Mach einfach weiter. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er eigentlich gar keine Angst hatte – zumindest nicht vor Leutnant Tscherbas Strafmaßnahmen. Da war etwas anderes. Stirnrunzelnd erkannte er, dass er sich auf gar keinen Fall vor Julius Pawalet blamieren wollte.
    ***
    Als Rudolph Lischka sein eigenes Bureau am Schottenring betreten wollte, wurde er von seinem Assistenten Schindl aufgehalten. Der nervöse junge Mann räusperte sich und sagte: „Inspektor Lischka, vor einer Stunde wurde jemand verhaftet, den Sie kennen. Ich dachte, das würde Sie vielleicht interessieren.“
    „Was meinen Sie, Schindl? Sie wollen mir doch nicht sagen, dass der Mörder gefasst wurde?“
    „Nein, nicht der Mörder. Aber Ihr kleiner Protegé, der Julius Pawalet. Man hat ihn vor einer Stunde in die Roßauer Lände gebracht. Er ist irgendwo eingebrochen; mehr weiß ich auch nicht …“
    Lischka sprang die Treppe hinunter und bestieg einen Polizei-Fiaker. Bis ins Gefangenenhaus in der Roßauer Lände war es zwar nicht weit, aber Lischka hatte es plötzlich eilig.
    Er hastete in die Eingangshalle des Gefängnisses und fragte sofort nach Julius Pawalet. Ein Wachmann führte ihn in den Gefangenentrakt und deutete auf eine kleine Zelle, in der zehn Männer zusammengepfercht waren. Die meist betrunkenen Übeltäter saßen schimpfend und lallend auf den Pritschen und fingen an zu fluchen, als Lischka auf die vergitterte Zelle zutrat. Angestrengt hielt er Ausschau nach Pawalet. Als er ihn sah, erschrak er. Zuerst hatte Lischka gedacht, der zusammengerollte Mann auf dem Boden sei ein Betrunkener, der

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