Das Sternenprogramm
haben wir noch Zeit genug dafür.
Jedenfalls hat er meinen Aufenthaltsort ausfindig gemacht und
versucht, mir alle möglichen opportunistischen
Kopfgeldjäger auf den Hals zu hetzen. Womit er nicht
sonderlich erfolgreich war.«
Er wandte sich ab. »Renegat…« Sein
Gelächter hallte zu ihnen zurück.
»Bisschen langsamer, wenn’s geht«, keuchte
Janis.
»Oh. Na gut.«
Auf einmal waren sie wieder zu dritt und bewegten sich in
normalem Tempo durch die Passanten. Nach dem ernüchternden
Schock setzte die Wirkung des Alkohols wieder ein, und Jordan
verspürte eine gesteigerte Wachsamkeit. Eine Frau in
Milizuniform starrte ihn böse an, als er die Zweiteilung
ihres Gesichts bemerkte, das halb erwachsen und halb babyhaft
wirkte. Aus einem achtlos in den Ärmel gerissenen Loch
schaute ein pummeliger, puppenartiger Arm hervor.
»Wieso halten wir uns nicht alle auf diese Weise jung
und schön?«, fragte Jordan, als sie die Frau passiert
hatten.
»Mittels Regeneration? Einige tun das«, meinte
Kohn. »Es ist teuer. Bei den meisten Söldnern ist das
im Versicherungsschutz enthalten, aber die nachfolgende
Prämienerhöhung ist gewaltig. Ist wahrscheinlich auch
gut so. Wenn jede nicht-tödliche Verletzung heilbar
wäre, würden die Leute leichtsinnig werden.«
»Besser tollkühn als tot«, meinte Janis.
Jordan hatte sich vom Kneipenbesuch nicht bloß
Informationen, sondern auch ein wenig Erholung vom rastlosen
Straßenleben Norlontos versprochen. Von ersterem hatte er
mehr und von letzterem weniger bekommen als erhofft. Jetzt hatte
er den Arm um Janis gelegt und stützte sich bei ihr auf,
während Kohn, der Janis von der anderen Seite umarmt hielt,
seinen Arm fixierte. Das kam ihm angemessen vor. Er fand die
beiden einfach umwerfend.
So wie ein Küken, das vom ersten sich bewegenden Objekt
geprägt wird, das ihm vor Augen kommt, überlegte er. So
sei es denn. Er hatte noch nie eine so schöne, faszinierende
und ungezwungene Frau wie Janis getroffen. Moh war irgendwie
anders: er verkörperte alles, was Jordan nicht war –
er war hager, zäh, hatte Durchblick, vermittelte Jordan aber
gleichzeitig das Gefühl, akzeptiert zu werden. Wie
schön es wäre, so offen zu sein und sich in der Welt so
zu Hause zu fühlen wie er!
»Wisst ihr was?«, sagte Jordan. »An Leute
wie euch habe ich immer schon geglaubt.«
Beide lachten.
»Da bist du wohl ein ausgesprochen gläubiger
Mensch!«
»Ich bin vernünftig, nicht gläubig«,
entgegnete Jordan. »Es gab zwar keinen Beweis für eure
Existenz, aber ich habe fest daran geglaubt. Es musste einfach
vernünftige Menschen geben – irgendwo. Dort
drüben gibt es keine. Deshalb bin ich auch nie einem
begegnet. Ich habe bloß in Büchern davon gelesen
– ich habe ihre Bücher gelesen. Außerdem habe
ich ihre Bauten gesehen. Eine Art teleologischer
Gottesbeweis.« Er schaute hoch, schwenkte die Faust gen
Himmel. »Jedes einzelne Flugzeug ist ein Beweis dafür,
dass es irgendwo einen rationalen Geist geben muss!«
»Ja, also, das wissen wir«, sagte Kohn. »Was
mich erstaunt, sind die Dinge, zu denen er fähig ist, ganz
zu schweigen von den holografischen Medaillen mit dem
Geburtszeichen der Piloten, über Satellit ausgestrahlten
Televangelisten…«
»… und
Schöpfungsbaukästen…«
»…Gedächtnisdrogen, welche die alternative
Medizin noch effektiver machen…«
»… Designerheroin für sterbende
Soldaten…«
»… schneller Zugang zu mehr Lügen, als man
in zehn Menschenleben widerlegen kann…«
»Also, das bedeutet für euch Freiheit«, sagte
Janis und blickte grinsend zu den beiden Männern auf.
»Jedem nach seiner Fasson, jedem, wie ihm bestimmt ist,
nicht wahr?«
Jordan streifte in der Diele den Rucksack ab und hielt kurz
inne, bemühte sich, seinen Gleichgewichtssinn
wiederherzustellen. In seinen Ohren rauschte es, und seine Augen
vermittelten ihm noch immer den ungewohnten Eindruck, alles drehe
sich um ihn, ohne dass sich wirklich etwas bewegte. Seine
Kniegelenke machten einen unzuverlässigen Eindruck. Da stand
er nun, zusammen mit zwei Menschen, die er kaum kannte, in einem
befestigten Haus voller Drogenkonsumenten! Voller leichter
Mädchen! Voller bewaffneter Kommunisten!
Er folgte Moh und Janis in den Gemeinschaftsraum. Sonst war
niemand da.
»Möchte jemand Kaffee?«, fragte Moh.
»Klingt gut.« Jordan ließ sich ein wenig zu
heftig aufs Sofa niederfallen. In der Ferne hallten leise
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