Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
Vom Netzwerk:
Seraphinenordens – eine glitzernde Zielscheibe über dem Herzen. Die Feiernden wirbelten im Kontratanz herum, und im Gedränge der Menschen, die erhitzt waren von Freude und Punsch, wurden die Uzanne und Anna Maria immer weiter zum Orchester geschoben. Eine Unterhaltung war unmöglich, man konnte sich nur mit Mimik und Gestik verständigen. In den Tiden der Tanzenden brandete eine Woge von Untertanen auf und verebbte wieder auf dem Weg zu ihrem König. Die Uzanne schwamm gemächlich im Strom, sie kam näher und näher, Anna Maria dicht neben ihr. Endlich standen Meister Fredrik und ich direkt hinter der Uzanne. Die Musik verstummte kurz, ich nickte meinem Freund zu.
    »Madame Uzanne!«, schrie Meister Fredrik direkt hinter ihr. »Herzog Karl – er schickt nach Ihnen!« Sie blieb stehen und wartete ein paar Herzschläge, dann drehte sie sich um und schlug ihm mit Kassiopeia hart ins Gesicht, wo sich eine rote, zornige Schramme zeigte. Er fuhr sich mit der Hand an die Wange, seine Augen waren glasig vor Tränen.
    »Der Herzog ist heute Nacht anderswo, Sie kleiner Perversling!«, zischte die Uzanne. »Haben Sie gedacht, ich wüsste das nicht?«
    Meister Fredrik umfing mit der freien Hand ihre Taille und drückte zu, bis die Uzanne wimmerte. »Nein, Madame, er schickt nach Ihnen«, brüllte er, »er und Carl Pechlin …« Um sie herum erhob sich Geflüster, dann spielte das Orchester weiter, und der Rest des Satzes ging unter. Sogleich kamen ein paar Dominos angelaufen und zogen Meister Fredrik grob weg, dabei fiel ihm die Perücke vom Kopf, ein Ärmel wurde aufgerissen. Man drückte ihn in die Seitenkulissen, und ich verlor ihn vollständig aus dem Blick. Ein ansehnlicher, unmaskierter Domino half der Uzanne trotz deren Protest zu einem Stuhl; er dachte wohl, sie hätte einen Herzanfall. Es war Adolph Ribbing, der sein Versprechen, ihr zu helfen, nicht vergessen hatte.
    Anna Maria stand allein da.
    Ich rempelte sie an und entschuldigte mich freundlich in den Duft ihres Haars hinein. Sie blieb stehen und ließ zu, dass ich mich weiter an sie drückte – Intimitäten waren in der Fülle anonymer Leiber leicht zu bewerkstelligen.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Orpheus. Ich war im Hades und habe eine Nachricht für Sie.«
    »Wenn der Absender Hauptmann Magnus Wallander heißt, bekommt er keine Antwort.«
    »Ich kenne niemanden dieses Namens«, sagte ich. »Die Nachricht ist von jemandem, der im Rang weitaus höher steht als ein Hauptmann.« Ich nahm ihre weiche Hand und küsste sie.
    »Ihre Stimme klingt vertraut. Wer sind Sie?«, fragte sie wieder und hielt meine Hand fest.
    »Wie ich schon sagte: Orpheus, ich bin gekommen, um Sie vor der Verdammnis zu erretten.« Ihre Hände waren warm, und ihre Finger fanden einen Weg, meine Handfläche zu streicheln. »Der Teufel hält die kleine Grå draußen fest und will stattdessen Sie in die Hölle stoßen. Sie haben noch Zeit zu fliehen, wenn Sie mit mir kommen.«
    Anna Maria lächelte, ihre Lippen schimmerten rosa vor ihren weißen Zähnen. Sie schlang ihren Arm um meinen und drückte ihn an meine Seite, als ich eine grobe Hand an meiner Schulter spürte.
    »Der Prinz hat bereits eine Eskorte«, sagte Lars Nordén.
    Ich zögerte einen Takt lang. »Dann sollten Sie sich maskieren und davontanzen«, sagte ich und ließ Anna Maria mit einigem Widerwillen los. »Weg hier, und zwar gleich!«
    Anna Maria sah mich kühl an, dann tat sie so, als wollte sie mir die Maske vom Gesicht reißen. Lars packte ihre Hand. »Das ist sehr unsportlich, mein Pfläumchen. Komm, der Tanz hat begonnen.«
    »Sag ›bitte‹!«, verlangte sie. »Ich bin es leid, herumkommandiert zu werden wie ein Hund.«
    Lars küsste sie zärtlich auf die Lippen. »Bitte, meine süße, saftige Pflaume, schenk mir die Ehre und tanz mit mir.«
    »Schon besser!«, sagte sie.
    Lars nickte ihr kurz zu und führte sie weg. Sie blickte sich noch ein paarmal nach mir und genauso oft nach der Uzanne um, dann verschwand sie unter den Tanzenden.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem König zu. Gustav stand vor dem Orchester und sah dem Tanz zu, glücklich über die herzliche Zuneigung seiner Untertanen und die Fröhlichkeit des letzten Maskenballs. Jemand öffnete ein Fenster, durch das ein Schwall kalte Luft hereinkam, was kreischenden Protest auslöste. Notenblätter flogen davon, aber das Orchester spielte weiter. Ein Schwarm Dominos drückte sich um den König herum, und die Uzanne näherte sich ihm wieder. Sie musste

Weitere Kostenlose Bücher