Das Stockholm Oktavo
vertraut. »Ein warmes Abendessen wäre sicher tröstlich, Madame. Der junge Stallknecht hat mir vor ein paar Tagen zwei dicke Kaninchen gebracht. Jetzt sind sie gut abgehangen und geben ein köstliches Ragout.« Sie holte tief Luft und fuhr fort: »Madame sind sehr dünn geworden, wenn ich das sagen darf.«
»Sie haben recht, Köchin.« Die Uzanne betrachtete ihr Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe. »Woher wissen Sie, dass ich gern Kaninchen esse?«
»Das zu wissen ist meine Aufgabe, Madame.« In heller Aufregung über dieses Gespräch machte die neue Köchin einen Knicks und eilte wieder in die Küche hinunter. »Heute Nacht werden wir die alte Köchin endlich begraben«, sagte sie zu den gehäuteten Kaninchen, die in der Speisekammer an Haken hingen. »Was, hat der Herr Sekretär gesagt, mag sie am liebsten, Jungs? Streichholzdünne Karottenstifte. Perlzwiebeln, aber nicht so viele, dass es billig wirkt. Eine sämige Soße mit Rosmarin und einem Spritzer Burgunder. Wo haben wir denn das?«, murmelte sie und spähte zwischen den Krügen und Eimern hindurch. Sie schob den Küchenschemel vors Regal, stieg hinauf und reckte sich zum letzten Brett hinauf, bis sie die glatte Rundung einer Dose ganz hinten an der Wand spürte. Sie schraubte den Deckel ab, tunkte den Finger hinein und leckte mit ihrer rosa Zungenspitze daran, schmeckte aber nichts. »Hier sind sie, wie der Sekretär gesagt hat! Madame mag vor allem getrocknete Pilze – Morcheln, zu feinem Pulver gemahlen. Ein königlicher Leckerbissen, hat er gesagt.«
Die zwei Kaninchen verwandelten sich in eine wohlschmeckende Mahlzeit, zarte Stücke, die in einer reichhaltigen dunklen Soße schwammen. Die Uzanne verlangte nach einer zweiten Portion – das war ein fast nie dagewesenes Kompliment. »Genau das Richtige!«, sagte sie und legte ihr Messer ab.
»Ich lerne die Geheimnisse der alten Köchin, Madame«, sagte die neue Köchin und wurde rot vor Freude. »Ganz oben auf dem Gestell habe ich das Pulver der getrockneten Pilze gefunden, wie man es mir gesagt hatte.«
Die Uzanne hielt die Augen geschlossen, ihr Gesicht war ausdruckslos, aber sie packte die Kante ihres Schreibpults, als würde sie von einer Klippe fallen. »Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Ein Sekretär. Er hat mir erzählt, Sie hätten ihm gesagt, dass sie etwas verloren haben, und er solle Ihnen helfen, es wiederzufinden.« Die neue Köchin zitterte vor Erregung über ihren Erfolg. »Wollen Madame jetzt vielleicht etwas Süßes?«
»Nein, Köchin.« Die Uzanne drehte sich zu der leeren Nische um. »Ich fühle mich ein wenig schläfrig, eine kurze Ruhe würde mir guttun.«
Kapitel 74
Stockholm danach
Quellen: E. L. und andere
So endete die gustavianische Zeit, und ein anderes Zeitalter – meine Ära – begann. In dem Jahr nach dem Attentat verbrachte ich viel Zeit damit, die Geschichte meiner acht Personen genauer zu betrachten. Ich durchforstete Spielsalons, Küchen, Ladengeschäfte, Wirtshäuser, Archive, Kirchenregister und Amtsstuben nach näheren Angaben, ich trug sie zusammen, flickte und bestickte die Leben meines Oktavos zu einem Gewand, das ich anlegte, wenn ich das Gefühl hatte, mein Leben sei sinnlos – was es ohne die Verbindung zu den anderen auch gewesen wäre.
Neben der genialen Visionärin und gelegentlichen Gaunerin Madame Sparv bestand mein Oktavo aus einer adligen Dame, einem Mädchen vom Lande, das nur graue Kleider trug, einem Kalligraphen, einem Schmuggler, einem Dandy, einem Hausdrachen und einem Fächermacher mit einer französischen Gattin. Einige hatten Geschäftsbeziehungen, andere pflegten intimste Kontakte, wieder andere hatten nur eine ganz oberflächliche Beziehung und kannten einander nur nach dem Namen oder als ein Gesicht, das sie in der Menge gesehen hatten. Dennoch waren sie letztendlich alle durch mich und mit mir verbunden und führten meine Wiedergeburt herbei.
Der Gefährte
Kristina Elisabeth Luisa Uzanne
»Auf dem Kirchhof von Sankt Jakob«, sagte Luisa und nahm sich noch ein Petit Four vom Tablett. »Sie hatte Glück, dort eine Parzelle zu bekommen, denn Sankt Jakob ist sehr begehrt.« Sie steckte sich das lila-weiße Gebäck in den Mund und redete weiter. »Es ist ein sehr guter Friedhof, der Boden vermulcht schnell, und ihre Gebeine werden neben den Besten der Stadt ruhen. Einige Bischöfe warten dort auf die Auferstehung.« Sie räusperte sich und schlürfte laut ihren Tee. »Herzog Karl hat einen sehr hübschen Kranz geschickt,
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