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Das Stonehenge - Ritual

Das Stonehenge - Ritual

Titel: Das Stonehenge - Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Christer
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glasigen, leeren Augen und das mondbleiche, ausgeblutete Fleisch.
    Erneut kippt Grabb eine größere Menge Wodka hinunter. Ihm ist durchaus klar, dass das, was er getan hat, einem höheren Zweck diente. Dieses Wissen ändert aber nichts an der Horrorshow, die ständig in seinem Kopf abläuft. Ein einziger Wimpernschlag, und er ist wieder vor Ort und kümmert sich um die Leiche. Totes Fleisch, sagte Musca. So sollten sie den Jungen behandeln, meinte er. Sie sollten sich vorstellen, die Leiche sei eine Lammkeule oder eine Schweinshaxe.
    Sie warfen die verstümmelte Leiche in Muscas Lieferwagen und fuhren zum Schlachthof, zu dem er die Schlüssel hatte. Der Junge schien eine Tonne zu wiegen, als sie ihn auf das Fließband hievten. Musca hängte ihn wie eine überraschte Kuh mit dem Kopf nach unten an einen Haken und schnitt ihm dann die Kehle durch, um den Rest des Blutes in ein Ablaufgitter fließen zu lassen.
    Grabb hört noch immer das Klirren der Ketten, das Brummen des Elektromotors und die gespenstisch widerhallenden Geräusche, mit denen die Maschinen zum Leben erwachten und den Leichnam das Band entlangzogen. Dann folgte die entsetzliche Verstümmelung. Die Enthauptung. Das Entfernen der Organe. Das Abziehen der Haut durch hydraulische Helfer. Sean musste sich fast übergeben, als Musca gezwungen war, feststeckende Fleischbrocken aus den Klauen ihrer automatisierten Komplizen zu lösen.
    Er kippt ein weiteres Glas Wodka hinunter, doch die Bilder wollen nicht weichen. Sie stecken ebenso beharrlich in seinem Gedächtnis fest wie jene schrecklichen Fleischklumpen, die das Fließband zum Stillstand brachten. Er versucht sich einzureden, dass die Bilder bestimmt bald verblassen, weiß jedoch tief in seinem Inneren, dass er sich etwas vormacht. Er wird sie niemals loswerden. Wenigstens naht jetzt die warme, weiche Welle. Sie kommt nicht schnell genug, aber sie kommt. Er spürt, wie sie heranrollt. Doch auch sie wird die Schuld nicht wegwaschen. Genauso wenig wie die Angst davor, erwischt zu werden.
    Die Maschinen entlang des Fließbandes befreiten die Knochen des Jungen von jeder Muskelfaser und jedem anderen Beweis, der gegen sie beide oder sonst jemanden verwendet werden könnte. Das fortschrittliche Fleischverarbeitungssystem der Fabrik reduzierte das alles auf industriell verarbeitetes Fleisch – bereit für den Verzehr durch Mensch oder Tier. Die Maschinerie war so verdammt effizient, dass sie nebenbei noch saubere Päckchen mit Knochen, Schmalz und Talg produzierte. Das Blut und die Fäkalien wurden einfach weggewaschen – wie Abwasser fortgespült.
    »Es besteht kein Grund zur Sorge«, sagte Musca immer wieder. »Du brauchst dich deswegen wirklich nicht zu beunruhigen.«
    Aber er
war
besorgt, und er
ist
beunruhigt. Nicht nur wegen der Albträume. Oder wegen der Schuldgefühle. Sondern weil sie das alles noch einmal tun müssen.
    Bald.

25
    Blinzelnd blickt Caitlyn Lock durch den blassgelben morgendlichen Dunst auf das schimmernde Wasser der Themse hinaus. Sie liegt in ihrem warmen, weichen Bett in der Wohnung ihres Vaters – einer seiner vielen Immobilien. Er besitzt auch ein Haus in Rom und ein weiteres in Paris. Außerdem zwei oder vielleicht sogar drei in Spanien und der Schweiz. So viele, dass sie sich an die genaue Zahl nicht erinnern kann. Darüber hinaus hat er noch mehrere Wohnsitze zu Hause in Amerika: L. A., New York, Washington. Ihr Dad ist berühmt und stinkreich, und Caitlyn ist auf dem besten Weg, noch berühmter und reicher zu werden als er. Oder ihre Mom.
    Über ihren Vater spricht sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit, nicht aber über ihre Mutter. O nein. Mom ist tabu. Kylie Lock ist ein kleines Hollywood-Sternchen, das Mann und Tochter verlassen hat, um mit ihrem jungen Lover und Schauspielerkollegen François zu leben. Caitlyn hat kaum noch ein Wort für sie übrig, geschweige denn kostenlose Publicity. Wenn sie ehrlich zu sich selbst wäre, würde sie vielleicht zugeben, dass sie durchaus verstehen kann, was ihre Mutter an François findet – einem dunkelhaarigen, eins fünfundachtzig großen Franzosen, der aussieht wie ein Model für Bademode.
    Caitlyn wirft die Bettdecke zurück und gleitet nackt aus dem Bett. Die Hände in die Hüften gestemmt, bewundert sie sich in dem hohen Spiegel neben dem überdimensionalen Panoramafenster mit Blick auf das London Eye. Sie dreht sich ein Stück, wirft einen koketten Blick über die Schulter und vollführt dann eine

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