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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Diese Lösung würde ihr das Problem ersparen, ihre Sachen auszuräumen, wenn ihre Eltern sie abholten. Sie weihte Sarah nicht in das volle Ausmaß ihrer Verletzungen ein. Vielleicht später. Im Moment konnte sie nicht darüber sprechen. Sie bat sie allerdings, die anderen eine Weile davon abzuhalten, sie zu besuchen.
      Und dann, eine ganze Woche nachdem sie die Wahrheit erfahren hatte, tauchte Galen auf, atemlos, direkt vom Bahnhof, strähnige dunkle Haare fielen über seine Ohren, Sorgenfalten standen in seinem schmalen, gut aussehenden Gesicht. Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand.
      »Ich war schon früher hier«, sagte Galen schließlich. »Man hat mir gesagt, du wärst ohne Bewusstsein, und hätte keine Ahnung, wann du wieder zu dir kommen würdest. Ich habe jeden Tag angerufen. Ich konnte nicht bleiben. Meine ...«
      Kirsten drückte seine Hand. »Ich weiß. Ich verstehe. Danke, dass du wiedergekommen bist.«
      »Du siehst wesentlich besser aus. Wie fühlst du dich?«
      »Ich kann schon aufstehen und herumlaufen. Bald kann ich nach Hause.« Sie berührte zaghaft ihr Gesicht.
      »Die blauen Flecken sind alle weg. Die Schwellung ist zurückgegangen.« Wie genau war er über ihre Verletzungen informiert? Sie selbst wollte ihm nichts sagen.
      Galen senkte seinen Kopf und schüttelte ihn, sein Gesicht verfinsterte sich. Er schlug eine Faust in die andere Hand. »Wenn ich den Dreckskerl zwischen die Finger kriege ...«
      »Nicht«, sagte Kirsten. »Bitte ... nicht. Ich möchte lieber nicht darüber reden.«
      »Tut mir Leid. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich fühle. Ich mache mir Vorwürfe, seitdem das passiert ist. Wenn ich nur da gewesen wäre, wie ich es vorgehabt hatte.«
      »Sei nicht dumm. Es ist nicht deine Schuld. Das hätte jedem zu jeder Zeit passieren können. Keiner erwartet von dir, dass du mich Tag und Nacht beschützt.«
      Galen schaute ihr in die Augen und lächelte. Sein Griff schloss sich fester um ihre Hand. »Das werde ich von jetzt an«, sagte er. »Nachdem du dich erholt hast und so. Ich verspreche, dich nicht mehr aus den Augen zu lassen.«
      Kirsten drehte ihren Kopf zur Seite, schaute hinaus zu den verschwommenen Wohnblocks, die vom Regen der letzten Nacht dunkel gefärbt waren, und sah das Sonnenlicht im glänzenden Laub tanzen. »Was hast du jetzt vor?«, fragte sie.
      Galen zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht genau. Ich werde wohl für den Rest des Sommers zu Hause rumhängen. Meine Mutter kommt immer noch schwer damit zurecht - mit Großmutters Tod. Und ich werde dich so oft ich kann in Brierley besuchen. Es ist nicht besonders weit weg, außerdem habe ich dann einen Wagen.«
      »Es wäre vielleicht besser, wenn du mich nicht besuchst«, sagte Kirsten langsam. »Jedenfalls für eine Weile.«
      Galen runzelte die Stirn und kratzte sein Ohrläppchen. »Wieso? Was meinst du damit?«
      »Ich brauche nur etwas Zeit für mich, um mich zu erholen.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Nenn es postoperative Depression. Ich wäre keine besonders angenehme Gesellschaft.«
      »Das spielt doch keine Rolle. Du wirst mich brauchen, Kirstie. Und ich möchte für dich da sein.«
      Sie legte ihre freie Hand auf seinen Unterarm. »Nein. Für eine Weile nicht. Bitte. Lass mich erst wieder zu mir kommen.«
      Galen stand auf und ging mit den Händen in den Taschen zum Fenster. Seine Schultern hingen genauso hinab wie immer, wenn er enttäuscht war. Wie ein kleiner Junge, dachte Kirsten.
      »Wie du meinst«, sagte er mit dem Rücken zu ihr. »Ich nehme an, es liegt an ... äh ... den psychologischen Auswirkungen, die noch schlimmer sind als die physischen, oder? Ich meine, ich habe keine Ahnung. Woher soll ich das auch wissen als Mann, oder? Aber ich werde mein Bestes tun, um es zu verstehen.« Er drehte sich wieder um und schaute sie an.
      »Das weiß ich«, sagte Kirsten. »Ich halte es nur für das Beste, wenn wir uns eine Weile nicht sehen. Ich bin völlig durcheinander.«
      Sie war sich immer noch nicht sicher, wie viel man ihm erzählt hatte. Er wusste, dass sie überfallen worden war, so viel war klar, aber wie genau hatte man ihm den Angriff beschrieben? Vielleicht nahm er an, dass sie vergewaltigt worden war. War sie denn vergewaltigt worden? Kirsten war sich selbst nicht sicher. Der Doktor hatte angeblich keine Samenspuren in der Vagina gefunden. Aber die war so schrecklich zugerichtet worden, dass sie nicht

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