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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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Fuchsschwanzgewächse, das sich durch einen hohen Proteinanteil auszeichnete, dessen Zusammensetzung sich wie eine Empfehlung der Weltgesundheitsbehörde für eine optimale Eiweißdiät las. Cording blickte Maeva an, die sich aber nach wie vor sehr interessiert zeigte. Für jemanden wie ihn, der sich im Pflanzenreich so gut auskannte wie ein Kartoffelkäfer im Theater, war Anas landwirtschaftlicher Exkurs einfach nur ermüdend. Ausweichen konnte er ihm nicht.
    »Wenn die Amaranthpflanze einmal Wurzeln geschlagen hat«, fuhr Kubas Präsidentin unbeirrt fort, »wächst sie auch bei Trockenheit weiter. Sie erträgt sogar einen gewissen Prozentsatz an Salz im Boden. Das Phantastische ist, dass sie diesen Boden im Schatten ihrer Blätter allmählich in fruchtbare Erde verwandelt. Dieser Pflanze wohnt ein ganz besonderer Zauber inne. Die Azteken vermischten Amaranthmehl mit Honig und rotem Amaranthfarbstoff. Sie formten Tierfiguren daraus, die dann zu Ehren der Götter verspeist wurden. Die spanischen Eroberer sahen in diesem Ritual eine Missachtung des christlichen Abendmahls und unterbanden den Anbau. Wir sind heilfroh, dass wir diese vergessene Kulturpflanze wiederentdeckt haben.«
    In den beiden Geländewagen vor ihnen schienen sich Rudolf und seine Männer prächtig zu amüsieren. Cording überlegte kurz, ob er Ana bitten sollte anzuhalten, damit er umsteigen konnte. Aber das wäre ihm wohl als Affront ausgelegt worden. Also bot er dem warmen Fahrtwind weiterhin die Stirn, stellte die Ohren auf Durchzug und gestattete es seinen Augen, sich die hügelige Palmenlandschaft einzuverleiben. Gelegentlich grüßte eine überlebensgroße Che-Ikone von verwitterten, wackeligen Stelltafeln, die auf Flachdächern oder Äckern installiert waren: »… DE TU QUERIDA PRESENCIA. HASTA SIEMPRE COMANDANTE …« Sie hatten die Zeugnisse der Revolution also nicht gänzlich gelöscht. Das Coca-Cola-Billboard, welches er erstaunlicherweise an einer Straßengabelung ausmachte, sah noch mitgenommener aus, kam aber ohne Parole aus. Dies war eben der Unterschied zwischen den Segnungen, die der Kapitalismus reichte, und denen, die von Revolutionären versprochen wurden. Um eine Gesellschaft ethisch-moralisch neu auszurichten, brauchte es halt ein paar Worte mehr.
    Neueren Datums waren sicher die an jedem Ortseingang zu findenden Plakate, auf denen sich ein lachender Brotlaib vor Vergnügen bog. In der rechten Hand hielt er den Zweig einer an Heidekraut erinnernden Pflanze, aus der linken loderte eine blaue Flamme. Eingefasst war das Motiv von zwei ineinandergreifenden halbrunden Pfeilen. »EL PAN ALEGRE«, stand über dem kindlich anmutenden Motiv, was so viel hieß wie »Das fröhliche Brot«. Das wusste Cording, so viel Spanisch musste sein.
    »Was bedeutet dieses Zeichen?«, unterbrach er Ana, die über die Vorzüge der Terra preta schwadronierte, was immer das sein mochte. Maeva kniff Cording in den Arm, was wohl so viel heißen sollte wie: Warte es ab, sie erklärt es uns doch gerade! Ana hingegen schien über die Frage nicht unglücklich zu sein. Natürlich hatte sie mitbekommen, dass der Mann an Maevas Seite sich bisher nicht sonderlich neugierig gezeigt hatte, also nutzte sie die Chance, das innovative Projekt in aller Ausführlichkeit vorzustellen. EL PAN ALEGRE, so viel verstand Cording jetzt immerhin, bezeichnete den Versuch, die Energie- und Nahrungsmittelversorgung in lokalen und regionalen Kreisläufen zu sichern.
    »Die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft basiert auf fünf Säulen«, erklärte Ana: »Zugang zu regional verfügbaren Energiequellen, ausreichend sauberes Wasser, saubere Luft, fruchtbare Böden und Bewahrung der biologischen Vielfalt. EL PAN ALEGRE und TERRA PRETA – das Brot mit dem Powerkorn Amaranth und die fruchtbare schwarze Erde stehen dafür als Symbol.«
    Selbst auf die Gefahr hin, sich zu blamieren – das mit der Terra preta war Cording nicht geläufig. Also fragte er nach.
    »Ähnlich wie dem Amaranth wohnt auch der Terra preta ein besonderer Zauber inne«, erwiderte Ana freundlich. »Das Geheimnis um die schwarze Erde wurde erst vor fünfzig Jahren gelüftet. Bodenkundler fanden heraus, dass die Indios am Unterlauf des Amazonas bereits vor zwei- bis dreitausend Jahren Landwirtschaft betrieben hatten. Auf einer Fläche, die siebenmal so groß war wie Kuba. Und zwar mit einem selbst hergestellten Erdmaterial aus Holzkohle, Dung und Kompost, durchsetzt mit Tonscherben, Muschelschalen und Fischgräten.

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