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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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aber niedergezischt.
    »Beide, der Verstorbene und der Angeklagte«, rief der Staatsanwalt mit schneidender Stimme, »haben sich eines Verbrechens schuldig gemacht, wie man es sich perfider nicht hätte ausdenken können. Die Ball-Brüder gehörten zu den zehn vermögendsten Bürgern der USA. Ball Industries war an Pipelines und Raffinerien, an der Düngemittel- und Faserindustrie sowie an Asphalt- und Nahrungsmittelfirmen beteiligt. Was aber taten die Gebrüder Ball mit dem Geld, das ihr obskurer Mischkonzern erwirtschaftete? Sie investierten über eine Milliarde Dollar in eine Kampagne, mit der sie die Glaubwürdigkeit jener Institutionen und Persönlichkeiten unterminierten, die nach Jahren der Vertuschung und Verharmlosung endlich bereit waren, der Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit darüber, wie dramatisch es tatsächlich um den Klimawandel bestellt ist. War es so, Angeklagter?!«
    Charles Ball nickte und blickte verschämt zu Boden. Was hätte er anderes tun können? Ein Verteidiger stand ihm nicht zur Seite. In den Schauprozessen mussten die Angeklagten ihre Verteidigung selbst übernehmen.
    »Im Jahr 2017 waren fünfzig Prozent aller Amerikaner der Meinung, dass man dem Ressourcenverbrauch und dem CO 2 -Ausstoß nur mit einem rigorosen Gesetzeswerk begegnen könnte. Fünf Jahre später, nachdem sich mithilfe der Ball-Gelder ein Netzwerk der Verleugnung übers Land gelegt hatte, waren nur noch zwanzig Prozent der US-Bürger der Meinung, dass der Gesetzgeber zum Handeln verpflichtet sei. Achtzig Prozent der Amerikaner hielten die prognostizierte Klimakatastrophe jetzt für Panikmache. Die Ball-Propaganda hatte gegriffen. Weit über die Vereinigten Staaten hinaus. Schließlich hatten die USA damals noch erheblichen Einfluss auf die Weltwirtschaft. Übrigens verfügen die Vereinigten Staaten immer noch nicht über jene Umweltgesetze, die vor der Lügenkampagne der Ball-Brüder bereits kurz vor der Ratifizierung standen.«
    Allan Prescott fragte sich angesichts des etwa fünfunddreißigjährigen Mannes, der in seiner glänzenden roten Robe deklamierend die Bühne durchmaß, wieso ihn die Ankläger in diesen Prozessen, von denen er sich zuvor einige im Hotel hatte vorspielen lassen, an gut ausgebildete Schauspieler erinnerten, die zudem einem bestimmten Schönheitsideal entsprachen, als müsse das Recht jugendlich-dynamisch, gebräunt und gut gebügelt daherkommen.
    Der Staatsanwalt nahm nun an der Rampe Aufstellung und ließ seine Blicke theatralisch über die Ränge streifen. Dabei deutete er mit ausgestrecktem Arm hinter sich auf den Angeklagten: »Sie hatten nicht einmal den Mut, für ihr Verbrechen mit ihren Namen einzustehen!«, rief er. Der Mann tut ja immer noch so, als würde gegen beide Balls verhandelt, dachte Prescott. »Die Organisation, die mit den Geldern dieser Brüder die Klimagesetze kippte, nannte sich Americans for Prosperity . Diese Organisation verfügte sogar über eine eigene Armee. Ihre schwarz gekleideten Carbon Cops bereisten das Land bis in seine hintersten Winkel. Sie fuhren nach Searcy, Pocahontas, Paragould, Magnolia oder Texarkana, wo sie auf Marktplätzen Vorurteile bedienten und erfolgreich Stimmung machten gegen die Environmental Protection Agency, deren engagierter Einsatz für die Umwelt ihr in Washington erheblichen Einfluss beschert hatte. Gleichzeitig wurden Ball-Gelder dazu verwendet, Wissenschaftler zu kaufen, die jede seriöse Studie des Weltklimarats, der EPA, der UNEP, von Greenpeace oder der Wilderness Society in Zweifel zogen. Damit nicht genug: In Washington flossen Millionen von Ball-Dollars in die Hände von Regierungsmitgliedern, Senatoren und Abgeordneten. Der republikanische Senator Gary Warner, der ebenfalls geschmiert worden war, veröffentlichte hinterher eine Namensliste führender Klimatologen, die seiner Meinung nach angeklagt werden sollten, weil sie die Regierung in Umweltfragen falsch beraten hätten. Viele dieser international hoch angesehenen Wissenschaftler erhielten anschließend Morddrohungen. Professor Snyder von der Stanford-Universität wurde auf offener Straße erschossen. Seine Mörder laufen heute noch frei herum.«
    Allan Prescott wollte sich gerade eine weitere Tasse Kaffee genehmigen, als ein Gerichtsdiener in der Garderobe erschien und ihm ein Mikro ans Revers klemmte. »Sie sind dran, Sir!«
    Ich hätte mich niemals für ein solches Spektakel hergeben dürfen, dachte er auf dem Weg durch die Kulissen. Zu spät. Es dauerte

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