Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
hing dem Gedanken nach. »Ich bin mir nicht sicher. Dass er ›Rache für Liamuin‹ schrie und nicht ›für Menma‹, das heißt doch, dass er sie rächen wollte und niemanden sonst. Das wäre logisch, aber warum hat er dann all die Jahre gewartet?«
»Zeit? Gelegenheit? Gibt es nicht eine Redensart, ›Racheist ein Gericht, das man am besten kalt serviert‹«, bot Gormán als Erklärung an.
»Das stimmt schon«, räumte Fidelma ein. »Aber vieles bei dieser Erklärung gibt mir zu denken. Suanach hat nicht gewusst, wer der Krieger war. Sie hat nur den Goldenen Reif und dann das Wappen auf dem Schild des Angreifers wahrgenommen. Mein Bruder hat mich noch nie belogen. Er hat versichert, dass ihm der Name Liamuin überhaupt nichts sagt. Wenn er sich auf Menmas Gehöft so lange aufgehalten hat, wie wir erfuhren, dann müssen ihn alle in der Gegend gekannt haben. Seine Krieger hatten eben erst die Uí Fidgente besiegt. Was soll er gerade dort gewollt haben? Warum sollte er sich mit Liamuin in ein Liebesverhältnis einlassen? Außerdem, wem sollte das grässliche Massaker nützen?«
»Das sind alles gute Fragen«, erwiderte Eadulf nachdenklich.
»Besser wäre, wir hätten Antworten darauf«, grummelte Gormán.
»Und deshalb reiten wir zurück zu Flannaits Hof«, entschied Fidelma kurz und bündig.
»Da wäre noch etwas«, fügte Eadulf hinzu. »Der Heilkundige aus der Siedlung, der Suanach versorgt hat und der auch in Liamuin verliebt war, hieß angeblich Lachtine. Er hatte demnach denselben Namen wie der Apotheker an der Eichenfurt. Ist das ein Zufall, oder war es derselbe Mann, und was ergibt sich daraus?«
»Das habe ich nicht vergessen«, erwiderte Fidelma und wies auf das Gehöft, das tiefer unter ihnen am Hang lag. »Hoffentlich können wir von Flannait mehr erfahren.«
Als sie sich Flannaits Hof näherten, trat ein dunkelhaariger Mann mittlerer Statur aus dem Blockhaus. Eisblaue Augen blickten ihnen aus einem Gesicht entgegen, in dem sich Neugierund Angst mischten. Er rief über die Schulter nach jemand, und sofort war Flannait bei ihm. Sie flüsterte ihm etwas zu und ging den Gästen entgegen. Diesmal glitt Fidelma vom Pferd.
»Nun, dálaigh , hast du Suanach gefunden?«
»Ja, wir haben sie gefunden«, bestätigte Fidelma. Die beiden anderen Reiter saßen ebenfalls ab, und Gorman band die Pferde am Zaun fest. Mit ein paar Schritten war der wettergebräunte Mann neben Flannait.
»Das hier ist mein Mann«, stellte die Frau ihn einfach vor.
»Ich heiße Cadan, Lady«, gab er sich zu erkennen. »Womit können wir euch dienen?«
»Ich habe bloß noch ein, zwei Fragen«, erwiderte Fidelma freundlich lächelnd. »Nach dem Überfall auf Menmas rath waren du und dein Sohn als Erste zur Stelle. Ihr konntet wenigstens Suanach retten, so war es doch?«
Der Bauer trat von einem Fuß auf den anderen und nickte mehrmals. Verunsichert, wie er war, ballte und öffnete er ständig die Fäuste. »Das stimmt, Lady. Wir haben sie hierher geschafft.«
»So viel ist mir klar. Hast du eine Vorstellung, warum gerade Menmas Gehöft verwüstet wurde?«
Der Mann hob hilflos die Schultern. »Das war ein Überfall, den die Eóghanacht gemacht haben«, erklärte er, als ob damit alles gesagt sei.
»Das habe ich schon gehört. Aber warum wurde nur Menma überfallen? Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Menma war der bó-aire . Er hatte das meiste Land und den besten Hof«, brachte Flannait fast wie zur Verteidigung vor. »Ich vermute, er wurde deswegen überfallen.«
»Haben sie geplündert oder etwas weggeschleppt?«, fragte Fidelma eindringlich.
»Soweit wir sehen konnten, haben sie nichts gestohlen«, erwiderte der Bauer.
»Dann ist es ihnen nicht darum gegangen, Beute zu machen oder sich irgendwie zu bereichern«, stellte Eadulf fest. »Sie haben aus bloßer Zerstörungswut gehandelt, haben Menschen umgebracht, den Hof gebrandschatzt.«
»Warum, weiß keiner. Der Mann, der bei ihnen gelebt hat, hat das angezettelt, dieser Eóghanacht-Krieger.«
»Gerade über den muss ich mehr wissen«, betonte Fidelma. »Könnt ihr mir irgendwas über ihn sagen?«
»Das ist so lange her.«
Fidelma schaute sich um. »Du warst mit deinem Sohn dort. Vielleicht kann er sich an etwas erinnern?«
Cadan und Flannait sahen beide sehr betreten aus.
»Maolán? Er ist nicht mehr bei uns, Lady«, sagte Cadan.
»Was meinst du damit?«
»Bald nach dem Überfall hat er uns verlassen und ist ins Kloster gegangen. Er war sehr …«, der Mann
Weitere Kostenlose Bücher