Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
sich zu wehren, konnte nur ihr Ende sein. Einer der Reiter blieb kurz vor ihnen stehen und spannte seinen Bogen. Es war ein buntscheckiger Trupp, doch offensichtlich im Kriegshandwerk erfahren, so unterschiedlich ihre Waffen auch waren.
Einen Moment überlief es Fidelma eiskalt. Sie glaubte in dem Anführer Adamrae zu erkennen. Bei genauerem Hinsehen stellte sie fest, dass der Mann Adamrae rein äußerlich in manchem ähnlich, aber nicht ihr geschworener Feind war. Er ritt auf sie zu und schaute sie prüfend an.
»Ein Krieger, eine Lady und ein Mönch.« Er grinste frech. »Das trifft sich gut. Zweifelsohne bist du Fidelma von Cashel.«
Fidelma sah ihn missbilligend an. »Gut getroffen? Der Pfeil hätte einen von uns töten oder mindestens verwunden können«, entgegnete sie kühl.
»Das war die Absicht, wenn ihr nicht stehen geblieben wärt und euch nicht ergeben hättet.«
»Mit welchem Grund?«
»Wir haben von euch gehört. Wenn mich nicht alles täuscht, seid ihr aus Cashel und wollt Fragen stellen.« Der junge Krieger grinste immer noch.
»Das Recht steht mir als einer dálaigh zu.«
»Mein Vater dürfte das anders sehen«, erwiderte er. »Ihr kommt jetzt mit uns mit. Es ist nur ein kurzer Ritt, Lady. Doch dein Begleiter muss uns seine Waffe übergeben.«
Gormán schaute sich um, sah die bewaffnete Kriegerschar und fügte sich in sein Schicksal. Er zog sein Schwert und reichte es dem, der unmittelbar neben ihm stand.
»Wem haben wir uns ergeben – und warum?«, verlangte Fidelma zu erfahren.
»Das Warum zu erklären, überlasse ich meinem Lord. Und wem? Ihr habt euch Artgal ergeben, dem Sohn Fidaigs von den Luachra. Fidaig bittet euch als seine Gäste zu sich. Und zu ihm werde ich euch jetzt geleiten.«
Kapitel 15
In flottem Trab ritt der Trupp den südwestlichen Berghängen entgegen, und doch gerieten sie in die Abenddämmerung, noch ehe sie die Furt eines breiten Flusses erreichten. Auf der anderen Seite des Ufers ragten die dunklen Kegel der Berge in die Höhe.
»Dort drüben ist das Gebiet der Luachra«, erklärte Fidelma Eadulf.
»Dann befinden wir uns jetzt in Sliabh Luachra?«
»Die ganze Gebirgsregion wird so genannt«, bestätigte sie. »Vorzeiten umgab die Berge hier ein riesiges unbesiedeltes Sumpfgebiet, in dem sich kaum etwas anbauen ließ. Sliabh Luachra besteht aus mehreren Bergen, und zwischen denen liegen sieben Täler. In den Senken sind Torfmoore entstanden – wehe dem, der sich dort hineinverirrt, er kommt nie wieder heraus.«
Ohne sein Pferd zu zügeln, drehte sich ihr Anführer zu ihnen um und wies auf mehrere Lichter, die in der Ferne auf der anderen Flussseite flackerten.
»Das ist die Ealla-Furt. Mein Vater, Fidaig, hat dort sein Lager aufgeschlagen.«
Gleich darauf jagten sie durch die flache Furt und hatten ein Zeltlager vor sich, das durch lodernde Feuer und angezündete Laternen gut sichtbar war. Übermäßig groß war es nicht, aber doch groß genug, um etwa hundert Kriegern Platz zu bieten. Auch war es kein ständiges Lager. Aber Fidelma wusste aus Erfahrung, dass selbst bei einem Lager für nur eine Nacht genau eingeteilt war, wer von den Kriegern für das Aufschlagen der Zelte, wer für die Waschgelegenheit, wer für dasKochen und wer für die Schlafplätze verantwortlich war. Alles war bis ins Einzelne festgelegt, und Wachposten sorgten für Sicherheit.
Eine auffällig gut erleuchtete Stelle deutete darauf hin, dass es sich um den pupall , den Pavillon des Stammesführers, handelte. Kurz davor hielt man an, und Artgal forderte sie auf abzusitzen. Fidelma und Eadulf wurden von Gormán getrennt, den man fortführte, während sie selbst dem jungen Mann zu dem Hauptzelt zu folgen hatten, dort würde sie der Gastgeber empfangen.
Eadulf hatte sich Fidaig, den Stammesfürsten der Luachra und Herrscher über die sieben Täler von Sliabh Luachra, anders vorgestellt. Bei genauerem Hinsehen entsann er sich, dass er ihm schon einmal in der Gästeschar bei ihrer Hochzeit in Cashel begegnet war. Fidaig war weder groß noch eine imposante Erscheinung, er wirkte alt und schwächlich, hatte üppiges weißes Haar und ein kluges, von Falten durchfurchtes Gesicht, wie man es von in die Jahre gekommenen und erfahrenen Menschen kennt. Er machte eher den Eindruck eines weisen Mannes aus dem Clan als den eines Stammesführers, der zur Verteidigung seines Volkes das Schwert schwingt. In den dunklen Augen ließen sich die Pupillen kaum erkennen. Die Gesichtszüge mit den schmalen
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