Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
strauchelte. Am liebsten hätten wir ihn gleich an einem Baum erhängt und ihn dort baumeln lassen. Dann dachten wir aber, du würdest lieber selbst den Platz wählen, wo man ihn aufknüpft.«
Artgal, der neue Herrscher der Luachra, blickte erzürnt auf seinen keuchenden und blutverschmierten jüngeren Bruder.
»Unser Vater ist tot – durch deine Hand«, zischte er ihn an.
Hasserfüllt starrte Gláed zurück. »Er hätte mich nur nachBarr an Bheithe geschafft und dort erhängt. Er hat mir keinen Dienst erwiesen.«
»Er wollte dich vor dem Zorn der Uí Fidgente retten«, gab Artgal zurück.
»Er hat nie etwas für mich getan, es sei denn, er hatte selbst einen Nutzen davon. Immer bist du sein Liebling gewesen, Artgal. Nicht umsonst hat er dich zum rechtmäßigen Nachfolger erkoren. Das hast du nun erreicht. Häng mich! Mach schon! Ich werde dich aus der Anderswelt verfluchen. Beim Samhain-Fest werde ich dir erscheinen, wenn diese Welt und die Anderswelt aufeinandertreffen und die Toten zurückkehren, um Rache zu üben.«
Schreckerfüllt verharrten die Krieger der Luachra in Schweigen. Artgals Gesicht war wutverzerrt. Schon trat er einen Schritt vor, als wollte er seinen Bruder auf der Stelle erschlagen.
»Artgal!«, mahnte Fidelma hinter ihm. »Denke an dein Versprechen. Veranlasse, dass Gláed gesäubert und auf ein Pferd gebunden wird. Begleite uns mit zwei Kriegern deiner Wahl nach Mungairit. Danach kannst du mit ihm nach Sliabh Luachra reiten.«
»Ich werde kein Wort sagen! Glaub nicht, ich wäre dir dankbar, weil du meinen Bruder davon abgehalten hast, mich zu töten.«
»Dankbarkeit habe ich von dir nicht erwartet«, entgegnete sie angewidert und wandte sich von ihm ab. Sie blickte zum Himmel. »Je eher wir auf brechen, desto eher sind wir in Mungairit.«
Kapitel 18
Eadulf empfand die Zeit, die sie für die Rückkehr nach Mungairit brauchten, als merkwürdig kurz im Vergleich zu ihrem ersten Ritt dorthin. Artgal und zwei Krieger der Luachra bewachten ihren Gefangenen Gláed. Gemeinsam mit Marban, dem Müller, hatten sie am Dún Eochair Mháigh haltgemacht und die Pferde getränkt. Conrí hatte dafür gesorgt, dass die Hauptfestung der Uí Fidgente von ihm treu ergebenen Kriegern beschützt blieb. Die Nacht hatten sie an der Eichenfurt verbracht. Von dort hatte Conrí seine Eskorte um weitere Krieger beträchtlich vermehrt, hatte aber eine Mannschaft zurückgelassen, die ausreichte, um auch diesen befestigten Platz zu verteidigen.
Früh am nächsten Morgen waren sie am Ufer des wild schäumenden Flusses Mháigh nordwärts gezogen. Unterwegs hatte Fidelma darauf bestanden, am Gehöft des ehemaligen Kriegers Temnén zu halten, der nun Viehzucht und Ackerbau betrieb. Sie hatte ihn überreden können, sich ihrem Trupp als weiterer Zeuge anzuschließen. Doch hatte er zur Bedingung gemacht, seinen Jagdhund Failinis mitzunehmen, auch wollte er seinen Hof nur für kurze Zeit verlassen.
»Gelingt es mir nicht, meinen Fall innerhalb einer Stunde nach unserer Ankunft in Mungairit aufzurollen, dann habe ich ohnehin auf der ganzen Linie versagt«, versicherte sie ihm.
Bei einbrechender Dunkelheit erreichten sie die Tore der Abtei. Laternen und Kienfackeln beleuchteten bereits die Innenhöfe und warfen ihren Schein auf die Gebäude. Anders als bei ihrem ersten Besuch erregte die Ankunft von diesmalsechzig Berittenen gehörig die Neugier der frommen Brüder, die sich auf dem Hof drängten. Der Verwalter Bruder Cuineáin betrachtete erbost die Reiterschar.
»Was soll das?«, rief er aufgebracht. »Das hier ist ein Haus Gottes, und niemand hat das Recht, Bewaffnete in diese Freistatt zu bringen.«
»Ich bin Conrí, Kriegsherr der Uí Fidgente«, entgegnete ihr Anführer, der aufgesessen blieb. »Ich handle im Namen von Fürst Donennach.«
Fidelma und Eadulf schwangen sich von ihren Pferden und gingen auf den Verwalter zu. Dessen Augen funkelten feindselig im flackernden Licht.
»Ah so«, sagte er lediglich und zog die Silben beim Ausatmen in die Länge.
»Bruder Cuineáin, du wirst bemerkt haben, dass ich diesmal mein Rangabzeichen, den Goldenen Halsreif, trage«, redete ihn Fidelma in aller Ruhe an.
Der Verwalter schnaubte verächtlich. »Er ist nicht zu übersehen.«
»Erkennst du auch diesen Stab und seine Bedeutung?« Sie hielt ihm den Haselstab hin, der die ihr vom König von Muman übertragene Amtsgewalt versinnbildlichte.
»Ist mir bekannt.«
»Dann weißt du, wie mir und meiner Begleitung zu
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