Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Mordanschlag schützen konnte«, bemerkte Eadulf. »Vielleicht sucht er eine Gelegenheit, sich zu bewähren.«
»Schon möglich«, stimmte der junge Krieger zu. »Gewiss möchte er sich vor euch wieder als tüchtig und zuverlässig beweisen.«
»Er braucht sich überhaupt nicht schuldig zu fühlen«, erwiderteFidelma. »Das geschah alles so urplötzlich, dass keiner von uns auch nur einen Finger rühren konnte, und dann war es zu spät.«
»Wird alles bereit sein, wenn wir morgen früh aufbrechen?«, erkundigte sich Eadulf.
»Die Pferde werden noch vor Morgengrauen gesattelt im Burghof stehen.«
»Wir wollen unsere Reise gemächlich angehen«, versprach Fidelma, wusste sie doch, dass sich Eadulf auf dem Pferderücken nicht sonderlich wohl fühlte.
»Die Strecke nach Mungairit habe ich schon mal an einem einzigen Tag geschafft«, erklärte Gormán in vollem Ernst, »doch das war an einem warmen Sommertag, und ich bin fast ohne Pause von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang geritten. Aber keine Angst, im Winter sind die Tage kürzer, und kalt ist es außerdem. Wenn wir nicht in die Dunkelheit geraten wollen, sollten wir höchstens einen halben Tag auf den Pferden sein. Wir könnten in der Ortschaft Ulla übernachten, die liegt mitten in der Hügelkette mit den flachen Kuppen. Dort gibt es ein recht ordentliches Gasthaus, soviel ich mich erinnere, und das erreichen wir gut und gern vor Einbruch der Dunkelheit. Am Tag drauf gelangen wir dann mühelos nach Mungairit.«
»Das hört sich gut an, doch es hängt vom Wetter ab und wie die Wege beschaffen sind«, gab Fidelma zu bedenken. »Wir haben keine Eile, wir verfolgen ja niemand, aber wir ziehen durchs Gebiet der Uí Fidgente, und da heißt es wachsam sein.«
»Das versteht sich von selbst, Lady; es wäre schandbar, wenn ein Krieger vom Goldenen Halsreif sich fürchtet, durch eine Gegend des Königreichs von Muman zu reiten, bloß weil da ein aufständischer Clan lebt, der eigentlich seine Lektion gelernt haben müsste.«
»Trotzdem, was lehren uns die alten Weisen? In omnia paratus. Sei auf alles gefasst.«
»Wir werden auf alles gefasst sein, Lady, komme, was wolle.«
Kapitel 6
Bei ihrem Aufbruch von Cashel am frühen Morgen war es noch frostig gewesen, doch die Kälte hatte rasch nachgelassen. Sie waren Richtung Westen unterwegs, hatten die Morgensonne im Rücken, und die verbreitete schon bald eine wohlige Wärme. Über ihnen strahlte ein für die Jahreszeit seltener wolkenloser blauer Himmel. Fidelma wusste, dass sie einen langen Ritt vor sich hatten, und verstand einzuschätzen, was man den Pferden zumuten konnte. Deshalb schlug sie vor, den Tieren nur einen mäßigen Trott abzuverlangen, solange keine Gefahr lauerte. Folglich waren sie erst im Laufe des Vormittags auf den Weg gelangt, der sich durch das Sumpfgebiet zum Fluss Ara schlängelte, an dessen Ufern sich Niederungen mit Riedgras und abgestorbenem Schilfrohr hinzogen, und der sie schließlich zur Siedlung an der Ara-Quelle brachte.
Fidelma überquerte als Erste die flache Furt, auf deren gegenüberliegender Seite neben einer Schmiede und Scheunen ein größeres Gebäude stand. Ein älterer Mann saß in der wärmenden Sonne vor der Haustür und glättete ein Stück Leder. Als er das Geräusch von Pferdehufen auf dem morastigen Untergrund vernahm, blickte er auf, und sogleich machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit. Er legte das Leder zur Seite, stand auf und ging dem unerwarteten Besuch entgegen.
»Ich mag es nicht glauben, bist du es, Lady?« Der Alte lachte kopfschüttelnd.
»Ich bin’s, Aona, und nicht allein.«
Sie glitt vom Pferd, und auch Eadulf und Gormán saßenab. Gorman griff nach den Zügeln, während die beiden anderen den Mann herzlich begrüßten.
Der Schankwirt, denn das war der Beruf, mit dem Aona sein Leben fristete, schlug fast ein wenig ehrfürchtig in Fidelmas ausgestreckte Hand ein und begrüßte dann auch Eadulf.
»Es ist eine ganze Weile her, Lady, dass du hier vorbeigeschaut hast. Aber Gott sei Dank hatten wir seither ruhige Zeiten.« Er warf einen Blick auf den Dritten im Bunde. »Ist dein Begleiter da nicht der junge Gormán? Wie steht es um meine alten Gefährten aus der Nasc Niadh?«
Aona hatte früher eine catha , ein ganzes Bataillon der Leibgarde des Königs von Cashel angeführt, ehe er aus Altersgründen ausschied und an der Ara-Quelle das Gasthaus übernahm.
»Gesundheit und Wohlergehen mögen dich stets begleiten, Aona«, entgegnete Gormán
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