Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
dass wir wussten, du warst es, Lady, und er schwor, sie hätten euch nichts weiter angetan.«
»Ihr wart nicht die ersten Reisenden, die dieser Schuft mit seinen Schurken überfallen und bestohlen hat«, fügte Sochthinzu. »Wir suchten ihn schon seit langem, er hatte ’ne Menge auf dem Kerbholz.«
»Das erklärt, warum wir nach euch Ausschau gehalten haben«, ergänzte Conrí.
»Den da habt ihr also gehängt«, stellte Eadulf fest. »Und was ist mit den anderen Halunken? Er hatte vier Kerle bei sich, als sie uns ausgeplündert haben.«
Wieder war es Socht, der antwortete. »Wir haben sie vor die Wahl gestellt, sich zu ergeben oder im Kampf zu fallen. Sie zogen es vor zu sterben und wurden gleich da beerdigt, wo sie gestorben sind. Der da« – er wies mit dem Daumen auf den Toten – »hat sein Schwert hingeworfen und um Gnade gefleht, als er sah, wie seine Kumpane fielen. Da haben wir ihn erst einmal hierher gebracht und dann kurzen Prozess mit ihm gemacht … vielleicht zu kurzen und zu vorschnell.«
»Er hätte vor einem Brehon angeklagt und verhört werden müssen«, sagte Fidelma streng.
»Das ist auch geschehen«, erwiderte Conrí zu ihrer Überraschung.
»Unsere Gesetze verlangen Wiedergutmachung für die Opfer und Rehabilitation des Übeltäters. Er hätte verurteilt werden müssen, als Schuldsklave bis zum Ende seiner Tage zu arbeiten und somit Wiedergutmachung für seine Verbrechen zu leisten«, ereiferte sich Fidelma. »Welcher Brehon hat befunden, dass die Todesstrafe zu vollziehen ist? Die darf doch nur in einem wirklich außerordentlichen Fall verhängt werden.«
Conrí drehte sich zu den umherstehenden Männern um und winkte einen von ihnen heran. Es war ein Mönch, der die Kapuze seiner Kutte tief ins Gesicht gezogen hatte. Obwohl sein Gesicht im Schatten lag, war ein Mann jüngerenAlters zu erkennen, der sich seit Tagen nicht rasiert hatte. Selbstbewusst kam er näher.
»Das ist Bruder Adamrae, der mir als zeitweiliger Brehon dient«, stellte ihn Conrí vor.
»Man sagt mir, du hättest veranlasst, dass dieser Mann gehängt wurde«, sprach ihn Fidelma schroff an.
Die Augen des jungen Mannes blitzten unter der Kapuze. »Ja, das habe ich getan«, entgegnete er in aufsässigem Ton.
»Aufgrund welchen Gesetzes?«
Bruder Adamrae reckte trotzig das Kinn vor. »Aufgrund der gerechten Gesetze der Bußvorschriften, den Normen des Kirchenrechts. Heißt es nicht im Kapitel Vier, dass ein Dieb, der im Besitz gestohlenen Gutes angetroffen wird, den Tod verdient hat?«
Für einen Augenblick verschlug es Fidelma die Sprache. »Wie konntest du zulassen, dass dieser Mann aufgrund der sogenannten Bußvorschriften hingerichtet wurde, die unseren Gesetzen völlig entgegengesetzt sind? Sage mir, junger Brehon«, forderte sie ihn mit sarkastischem Unterton auf, »wo hast du studiert und die Berechtigung erworben, als Richter zu wirken?«
»Ich habe in der Abtei des heiligen Machaoi auf der Insel Oen Druim studiert«, erwiderte er nach einigem Zögern.
»Im Stammesgebiet der Dál nÁraide im Königreich Ulaidh? Die Abtei ist mir bekannt. Aber du sprichst nicht die Mundart von Ulaidh. Deiner Aussprache nach kommst du eher von irgendwo im Süden.«
Der junge Mann zuckte die Achseln. »Ich wurde in Pflegschaft zu den Uí Fiachrach Aidne gegeben und bin danach zu meinem eigenen Clan zurückgekehrt.«
»Zu den Uí Fiachrach Aidne? Deren Gebiet grenzt im Norden an unser Königreich Muman. Umso befremdlicherklingt deine Art zu sprechen. Wie dem auch sei, die von dir genannten Landstriche sind ziemlich weit voneinander entfernt.«
»Was kann ich dafür, meine Familie hat das so gewollt«, behauptete der Mönch verbissen. Fidelma war sich nicht mit sich einig, ob sie einen Jüngling oder einen erwachsenen jungen Mann vor sich hatte.
»Welchen Grad hast du erlangt?«
Fast schien es, als wollte ihr Bruder Adamrae eine Antwort verweigern, sagte dann aber doch: »Ich habe den Grad eines freisneidhed .«
»Demnach hast du Rechtskunde nur drei Jahre studiert«, stellte Fidelma erstaunt fest.
»Das reicht doch! Die Gesetze müssen sowieso neu gefasst werden, um unsere barbarische Gesellschaft mit dem Rechtskanon der Kirche in Übereinstimmung zu bringen«, fauchte er.
»Aha, setzt du mit deiner Rechtsprechung die neuen Gesetze bereits als gegeben voraus?«, fragte Fidelma spöttisch. Zu Conrí, der seiner Sache nicht mehr so sicher schien, sagte sie: »Du solltest in Zukunft sorgsam prüfen, wen du dir als Berater
Weitere Kostenlose Bücher