Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Frage war berechtigt. Fidelma war beschämt und verärgert zugleich, dass sie, gerade sie, diesen Begrüßungsworten keine Bedeutung beigemessen hatte.
Conrí und Socht sahen sich verschmitzt an, dann wandte sich Conrí wieder seinen Gästen zu.
»Um ehrlich zu sein, wir wussten nicht, wo ihr auftauchen würdet. Ich hatte Reiter nach Dún Eochair Mháigh geschickt, weil ich dachte, am ehesten würdet ihr dorthin reiten. Dass die Abtei Mungairit auch ein mögliches Ziel für euch sein könnte, ist mir nicht in den Sinn gekommen.«
Fidelma sah ihn verdutzt an. »Wie hast du überhaupt wissen können, dass ich mich im Gebiet der Uí Fidgente aufhielt?«
»Bitte verzeih, Lady, und auch du, Freund Eadulf, verzeih. Ich gebe zu, es hat mir regelrecht Spaß gemacht, euch an der Nase herumzuführen. Insgeheim habe ich damit gerechnet, Fidelma, dass du uns auf die Schliche kommen würdest und wir dich ein weiteres Mal als jemand rühmen könnten, dem kein Geheimnis verborgen bleibt.«
Fidelma versuchte, ihre Ungeduld zu überspielen. »In diesem Fall weiß ich einfach zu wenig, um dein Geheimnis zu enträtseln.«
»Ich kann mit Beweismaterial nachhelfen.« Der Kriegsherr klatschte in die Hände, und wieder erschienen Bedienstete. Fidelma und ihre Gefährten standen auf und folgten ihm zueinem Tisch, der an einer Wand der Halle stand. Ein großes Laken war über die Platte gebreitet und verbarg ganz offensichtlich irgendwelche Gegenstände. Die Diener eilten herbei, und auf ein Kopfnicken von Conrí griffen sie das Tuch, zogen es vom Tisch und enthüllten die Sachen, die man damit abgedeckt hatte.
Sie trauten ihren Augen nicht. Alles, was ihnen die Räuber erst zwei Tage zuvor entrissen hatten, war dort säuberlich ausgebreitet. Da lagen die Goldenen Halsreifen, die Gormán und Fidelma als Mitglieder der Nasc Niadh auswiesen. Da waren auch Fidelmas Amtsstab, Eadulfs kunstvoll gearbeitetes Kruzifix und einige Schmuckstücke. Besonders erleichtert war Eadulf, das Silbersiegel zu erblicken, dass ihm Bruder Conchobhar gegeben hatte. Auch Gormáns so hochgeschätztes Schwert fehlte nicht. Gormán überwand die Verblüffung als Erster. Wütend fuhr er Conrí an: »Waren das deine Leute? Waren diese Strolche deine Krieger, die man losgeschickt hatte, uns zu berauben?«
Socht trat mit gezogenem Schwert zwischen die beiden, bereit, Gormán in die Schranken zu weisen. »Nimm dich in Acht, Krieger von Cashel«, drohte er leise. »Wärest du nicht im Gefolge von Lady Fidelma, würden wir dich wegen ungerechtfertigter Anschuldigungen verklagen.«
Conrí hob die Hand. »Ruhig! Bleibt ruhig! Mit meiner Geheimniskrämerei habe ich keinen Ärger heraufbeschwören wollen. Nein, Gormán, die Banditen waren nicht meine verkleideten Krieger.«
»Am besten du erklärst uns, was da vor sich gegangen ist«, forderte Fidelma ihn auf.
»Es ist überzeugender, wenn ich euch etwas zeige.« Conrí führte sie zur Rückseite der Festung. Socht ging hinterher und behielt Gormán argwöhnisch im Blick.
Sie durchquerten den Küchenbereich und einen Innenhof am Palisadenwall, wo Conrís Krieger augenscheinlich ihre Schlafquartiere hatten.
»Bereite dich auf einen unschönen Anblick vor, Lady, denn wir von den Uí Fidgente sind nicht so barmherzig wie ihr in Cashel. Wir glauben, dass in außergewöhnlichen Fällen auch außergewöhnliche Strafen angebracht sind. Nachsicht üben war ein Grundsatz im alten Gesetz der Brehons, doch jetzt lehrt man uns etwas anderes.«
»Ich verstehe nicht, wovon du sprichst, Conrí«, sagte Fidelma, die sich über die umständliche Vorrede des Kriegsherrn wunderte.
Er antwortete nicht, sondern bahnte ihnen den Weg durch ein kleines Waldstück bis zu einer Lichtung. Dort hielten sich einige Männer auf, doch sie waren es nicht, die Fidelmas Aufmerksamkeit auf sich zogen. Auf der Lichtung stand eine riesige Eiche, und von einem ihrer Äste baumelte ein Gehenkter. Der Kopf in der Schlinge hatte eine sandfarbene Mähne und einen dichten Bart. Fidelma musste sich nicht erst durch die Narbe vergewissern, die sich von der Stirn über Auge, Nase und Wange zog, sie erkannte sofort, wer es war.
»Wir haben ihn und seine Bande im Wald aufgespürt«, sagte Conrí in düsterem Ton. »Als wir ihr Beutegut sichteten, erkannten wir deinen Amtsstab und die Rangabzeichen der Nasc Niadh. Wir haben den Kerl dazu gebracht, uns zu berichten, was mit den Leuten geschehen ist, die sie ausgeraubt hatten. Er hat dich genau beschrieben, so
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