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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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fühlte sich vollkommen leer. Nichts hatte mehr Bedeutung für ihn, nicht einmal sein Leben.
    Ganz anders schien es dem Abt zu ergehen, der Jendrik das Gesicht zugewandt hatte und erst ihn und dann den anderen Mann mit angstgeweiteten Augen anstarrte. Er zitterte, und auf seiner hohen Stirn standen Schweißperlen, die ihm seitlich über die Schläfen liefen und die er mit einem kleinen Tuch abtupfte.
    »Wir haben Euch erwartet«, sagte der Mann, dessen Antlitz Jendrik noch nicht sehen konnte. Aber er wusste auch so, wie das nasenlose Gesicht aussah. Diesmal würde es ihm keine Angst einjagen.
    Jendrik antwortete nicht, er blieb einfach stehen und wartete.
    Nun drehte der Mann sich langsam um, das Gesicht zu einer wütenden Fratze verzogen.
    »Ihr habt mich enttäuscht, genau wie Abt Etienne«, zischte der Namenlose mit leiser, gefährlicher Stimme. »Der Arzt und die Frau sind immer noch am Leben und nicht nur das, sie sind weiterhin im Besitz der Bücher, die dem Heiligen Vater gehören.«
    »Es … tut … mir … leid«, stotterte Abt Etienne. »Wir haben alles genau so gemacht, wie Ihr es in Eurem Brief gewünscht habt. Das Gift war mit Sicherheit tödlich, aber aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund haben die beiden es überlebt.«
    »Schweigt!«, rief der Jesuit aus Rom. Er wandte sich an Jendrik. »Und Ihr, was habt Ihr erreicht? Wisst Ihr, wohin die beiden unterwegs sind?«
    Gelassen schüttelte Jendrik den Kopf. Er fühlte sich so ruhig, dass er statt der drohenden Stimme den Gesang der Vögel hörte, der von draußen in die Räume drang.
    Es wunderte ihn nicht, als der Mann der Geheimen Bruderschaft unter seine Kutte griff und eine kleine Armbrust hervorholte. Er rechnete damit, dass die Waffe sich auf ihn richten würde. Aber zuerst sollte offenbar der Abt sterben.
    Abt Etienne sprang entsetzt auf und warf lautstark den Stuhl hinter sich um.
    »Was habt Ihr vor?«, schrie er schrill.
    »Ich habe es schon einmal gesagt, der Heilige Vater kann Dummheit in den eigenen Reihen nicht dulden. Es ist meine Aufgabe, die Dummheit auszulöschen.«
    Jendrik schnaufte verächtlich. »Sagt das der Heilige Vater oder bloß die Geheime Bruderschaft?«
    »Um Euch kümmere ich mich später«, drohte der Mann ohne Nase. Mit sicheren Handgriffen spannte er die Armbrust, zielte auf den zitternden Abt, ohne zu beachten, dass dieser winselte und flehte wie ein kleines Kind, und drückte kaltblütig ab.
    Der Pfeil traf Abt Etienne in den Oberarm. Der Klostervorsteher schrie auf und riss ihn sich sofort aus dem Fleisch. Er war erleichtert, denn die Verletzung war zwar schmerzhaft, schien aber nicht weiter gefährlich zu sein.
    Doch der Bruder aus Rom erklärte: »Ihr könnt Euch nicht mehr retten, denn der Pfeil ist vergiftet. Es handelt sich um ein Muskelgift aus der Neuen Welt, es wirkt rasch und ist tödlich. Es lähmt Euren Körper, jeden einzelnen Muskel, und zuletzt Eure Atmung, so dass Ihr erstickt.«
    Aus dem Gesicht von Abt Etienne wich jede Farbe. Langsam sackte er zusammen und blieb leblos auf dem Boden liegen.
    »Die Zusammensetzung des Gifts findet sich auch in dem Manuskript, das Ihr nicht zu schützen imstande wart. Ich finde, es ist nur recht und billig, dass es nun dazu dient, Euch zu bestrafen.«
    Der Mann ohne Nase griff erneut nach einem Pfeil und spannte ihn ein. Jendrik kam sich vor wie ein Kaninchen, das seinem Jäger entgegenblickte und keine Möglichkeit zur Flucht sah, aber die Panik des Kaninchens blieb aus. Jendrik wartete auf die Angst, aber er spürte keine.
    In dem Moment hörte er lautes Poltern auf dem Gang, und die hohe Tür wurde aufgerissen. Auf der Schwelle stand breitbeinig Tomek, in seiner Rechten sein Schwert. Er sah furchteinflößend aus, ein wild gewordener Krieger, der nach Rache lechzte. Blitzschnell erfasste er die Situation und trat auf den Mann zu, der auf seinen Freund zielte. Doch der Pfeil des Jesuiten war bereits abschussbereit, surrend zischte er durch die Luft und durchbohrte Jendriks Kutte.
    Zu spät bemerkte der nasenlose Mann, dass er eben einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte, denn nun stürzte sich Tomek wütend auf ihn und schlug ihm mit einem präzisen Schwerthieb den Bogen aus der Hand. Dabei trennte er ihm vier Finger ab, die blutend zu Boden fielen, der fünfte hing nur noch lose an der Hand.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht schrie der Mann auf. Einen Moment lang starrte er auf den blutigen Klumpen, der gerade noch seine Hand gewesen war, dann griff er mit der

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