Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
persönlichen Kampf angesagt.
Jana und Pfeiffer gingen leise und ohne zu sprechen durch die Räume und trafen auf einen Mönch, der für die Betreuung der Kranken verantwortlich war. Er winkte dem Arzt, den er vom Vortag her kannte, freundlich zu und eilte dann zu ihm.
»Doktor Pfeiffer«, sagte er leise und aufgeregt. »Im Untergeschoss liegt ein Kind, das an einem merkwürdigen Ausschlag leidet. Ich bin mir nicht sicher, ob es sich um eine ansteckende Krankheit handelt. Könntet Ihr einen Blick darauf werfen?«
Pfeiffer nickte, und schon ging der Mönch vorneweg. Der Arzt folgte ihm und Jana nach einem kurzen Zögern ebenfalls. Sie stellte überrascht fest, dass jeder Kranke hier seinen eigenen Nachttopf hatte. Alle waren frisch entleert, und in einer Ecke des Saals standen wohlriechende Kräuter in einer Schale, unter der eine Kerze brannte. Der wohltuende Geruch verdrängte die Ausdünstungen der Kranken.
Die Wände des Saals waren erst vor kurzem frisch ausgemalt worden, und alles wirkte sauber und ordentlich. Nie zuvor hatte Jana etwas Ähnliches gesehen. In Prag waren die Häuser, in denen Kranke behandelt wurden, Orte des Siechens und des Todes. Oft lagen drei oder vier Kranke in einem Bett, und die Nachttöpfe unter den Betten liefen über, weil niemand sie entleerte.
Rasch stellte Jana fest, dass sich auch hier manche Patienten ein Bett teilen mussten. Es war schwer festzustellen, ob das mit der Art der Krankheit oder dem Vermögen des Patienten zusammenhing. Der Mönch blieb vor einem schmalen Bett stehen, in dem zwei Kinder lagen, ein Junge und ein Mädchen. Beide waren in etwa gleich alt, Jana schätzte sie auf vier bis fünf Jahre. Das Mädchen hustete und sah sehr blass und schwach aus, aber der Junge wirkte völlig gesund, abgesehen von einem großflächigen dunkelroten Ausschlag, der sich auf seinen Unter- und Oberarmen und dem Rumpf ausbreitete.
Pfeiffer trat zu dem Jungen, der ihn ängstlich anstarrte, und setzte sich auf die Bettkante.
»Mein Name ist Conrad«, sagte er freundlich. »Wie heißt du?«
»Thomas«, sagte der Junge leise.
»Seit wann hast du denn diesen Ausschlag?«, fragte Pfeiffer.
»Seit letzter Woche. Es juckt ganz schrecklich.« So als müsste er dem Arzt beweisen, wie unangenehm der Ausschlag war, fuhr sich der Junge mit den schmutzigen Fingernägeln über die Unterarme, die bereits voller blutiger und entzündeter Kratzer waren.
»Darf ich mal?«, fragte Pfeiffer und sah den Jungen fragend an. Der hielt ihm den dürren Arm bereitwillig entgegen.
»Welchen Beruf hat dein Vater?«, fragte Pfeiffer.
»Mein Vater ist Bauer.«
»Das heißt, du spielst gerne im Heu?«
Ein Grinsen machte sich auf dem kleinen Gesicht breit. Die hellen Augen glänzten.
Pfeiffer nickte zufrieden.
»Kann es sein, dass du dich letzte Woche, bevor du den Ausschlag bekommen hast, im Heu gewälzt hast?«
»O ja, das habe ich!« Der Junge nickte begeistert.
»Das solltest du für eine Weile bleibenlassen«, sagte Pfeiffer ernst. »Ich glaube, dass deine Haut das Heu nicht verträgt. Eine beruhigende, kühlende Salbe sollte helfen.«
»Das heißt, ich darf wieder nach Hause?« Der Junge strahlte.
»Ich denke schon«, sagte Pfeiffer.
Dann umrundete er das Bett und beugte sich über das Mädchen. Die Stirn des Kindes glühte, und die hellen Locken klebten in seiner Stirn.
»Was ist mit diesem Kind?« Pfeiffer sah den Mönch fragend an. Doch der Mann zuckte bloß mit den Schultern.
»Sie liegt im Sterben. Ihre Mutter hatte die gleiche Krankheit, sie ist bereits beim Herrn. Am Ende hat sie nur noch Blut gehustet. Und nun hat Gott auch die Hand nach der Kleinen ausgestreckt. Der Vater hat sie aufgegeben und wartet darauf, dass die Engel sie holen.«
Janas Magen krampfte sich zusammen. Zum einen, weil der Mann so emotionslos über den Tod eines Kindes redete, zum anderen, weil man den Jungen neben ein sterbendes Mädchen gelegt hatte. Ein ordentlich geführtes Hospital war eine feine Sache, aber ohne Mitgefühl schien ihr das sauberste Bett nutzlos.
»Lebt der Vater hier in der Fuggerei?«, wollte sie wissen.
Der Mönch nickte. »Ja, sonst wäre das Mädchen nicht bei uns gelandet. Aber er kommt nicht zu Besuch.«
»Spuckt das Mädchen ebenfalls Blut?«, fragte Pfeiffer.
Der Mönch schüttelte den Kopf.
Ohne zu fragen, nahm der Arzt die Decke vorsichtig weg. Beide Handgelenke des Kindes waren eingebunden. Pfeiffer hob die Augenbrauen.
»Der Arzt hat sie wiederholt zur Ader
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