Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
nun vollständig verschwunden.
»Nein, ich habe Euch keine Informationen vorenthalten. Die Pergamentseiten haben nichts mit dem Buch Eures Vaters zu tun«, sagte er bestimmt.
»Und warum sollte ich Euch das glauben?«, fragte Jana verärgert.
Der Arzt sagte ernst: »Jana, ich lüge Euch nicht an.« Langsam hob er den Kopf, und Jana war gewillt, den türkisblauen Augen zu glauben.
»Dann sagt mir, was es mit der merkwürdigen Schrift auf sich hat!«, verlangte sie.
»Das kann ich nicht.« Pfeiffers Stimme wurde immer leiser, Jana musste sich Mühe geben, um ihn zu verstehen.
»Warum? Weil ich eine Frau bin und nicht intelligent genug, Dinge zu verstehen, die übers Waschen, Kochen und Putzen hinausgehen?«
Betroffen zuckte Pfeiffer zusammen. Er schüttelte den Kopf und wirkte plötzlich nicht nur ernst, sondern auch traurig. »Jana, glaubt mir, die Wahrheit würde Euch nicht gefallen.«
»Eure Arroganz und Überheblichkeit widern mich an«, sagte sie enttäuscht, drehte sich um und wäre beinahe mit Bedrich zusammengestoßen, der hinter einem der Büsche auftauchte. Vorwurfsvoll fragte er: »Jana, was machst du denn hier?« Er klang wie eine verzweifelte Mutter, die seit Stunden nach ihrem kleinen Kind suchte.
»Ich wollte mir die Blutflecken aus dem Kleid waschen«, fuhr sie ihn an. Bedrich bekam die Wut ab, die eigentlich für Pfeiffer bestimmt war.
»Gemeinsam mit Doktor Pfeiffer?«
»Ja, denn auch er hat Blutflecke auf der Kleidung.« Jana funkelte Bedrich an, als hätte er ihr gerade die schlimmsten Beleidigungen an den Kopf geworfen. Dabei waren es Sorge und Eifersucht gewesen, was ihn hierher getrieben hatte.
Bösartig fuhr Jana fort: »Das Waschen hat so viel Spaß gemacht, dass ich demnächst auch mit Ludwig und dann mit Antonio herkommen werde.«
Bedrich verzog beleidigt den Mund. »Du brauchst nicht gleich so zu übertreiben.«
»Ach, Bedrich, dann hör auf, mir nachzuspionieren.«
Verstimmt brummte Bedrich etwas Unverständliches, dann sagte er: »Ich verstehe überhaupt nicht, warum man wegen eines Schwachsinnigen so viel Aufhebens macht.«
Jana schüttelte ungläubig den Kopf. Hatte sie sich eben verhört? War das die Stimme des gutmütigen, braven Katholiken Bedrich, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte und in jede Kirche rannte, um nur ja keinen Gottesdienst zu versäumen?
»Bedrich, du hast dich gerade über mich geärgert. Das kann ich verstehen, nur sag bitte nicht so gemeine Dinge über Kasper.«
Aber Bedrich gab zurück: »Ich weiß genau, was ich sage. Findest du nicht auch, Rosa wäre besser dran, wenn sie nicht diesen schwachsinnigen Tölpel am Hals hätte, der keinen geraden Satz sprechen kann und die ganze Zeit über sabbernd und grinsend herumläuft? Sie ist eine attraktive Frau, allerdings richtet sie ihr ganzes Leben ausschließlich auf ihren Sohn aus.«
Bedrich wollte Jana die Hand auf den Arm legen, aber sie drehte sich weg und schüttelte ihn energisch ab.
»Und nur weil er viel lacht und sich am Leben freuen kann, sollten wir ihn sterben lassen?«, frage sie fassungslos.
»So habe ich das nicht gemeint«, sagte Bedrich rasch.
»Wie denn dann?«
»Ich dachte bloß, dass …« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, vergiss es.«
»Ich soll vergessen, dass für dich Menschen nur dann ein Recht auf Leben haben, wenn sie in ganzen Sätzen sprechen können und nicht sabbern?« Jana spürte, wie ihr Zorn wuchs, dabei wusste sie eigentlich ganz gut, dass Bedrich Kasper nichts Böses wollte. Doch die Worte sprudelten nur so aus ihrem Mund, wie ein aufgestauter Bach, nachdem das Hindernis beseitigt wurde.
»Kasper ist so ein liebenswerter, gutmütiger und ehrlicher Mensch«, sagte sie und sah Bedrich eindringlich an. »Ein Mensch, der nicht über andere richtet, der nicht bestimmen will, wer auf Gottes Erdboden leben darf und wer nicht. Ein Mensch, der anderen nicht aufzwingen will, wie sie auszusehen und sich zu benehmen haben und der …«, nun sah sie eindringlich Pfeiffer an, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, »der nicht so überheblich ist, dass er glaubt, bestimmen zu können, wem welches Wissen zusteht.« Sie spuckte die letzten Worte förmlich aus und flüsterte dann: »Mir graut vor einer Welt, die von ignoranten Männern gestaltet wird.«
Bedrich wusste gar nicht, wie ihm geschah.
»Jana, ich habe eben nicht klar gedacht«, sagte er kleinlaut. »Es tut mir leid.«
»Das sollte es auch«, zischte Jana böse.
Dann drehte sie den zwei
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