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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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anderes mehr übrigblieb, als ihn zu verhaften. Er wusste plötzlich, dass ihm auch kein Anwalt mehr helfen konnte,
     wenn er erst einmal in die Mühlen der Justiz geraten war. Wer immer Ludger auf dem Gewissen hatte, war abgebrüht und raffiniert.
     Er würde dafür sorgen, dass sie Mark verurteilten und für mindestens zehn Jahre einsperrten. Noch schlimmer als die Vorstellung
     einer langen Gefängnisstrafe war jedoch der Gedanke, dass der Mörder immer noch frei herumlaufen und Ludgers Tod ungesühnt
     bleiben würde. Das durfte er auf keinen Fall zulassen!
    Es klingelte erneut. Was sollte er tun? Fliehen? Die Polizei würde sicher die Garage und den Garten im Auge behalten. Er würde
     nicht weit kommen.
    Langsam drückte er die Klinke der Haustür herab.

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    |56| 11.
    Hamburg-Hafencity,
    Donnerstag 11:45 Uhr
    »Herr Erling, nach Aussage Ihres Kollegen waren Sie gegen zwanzig Uhr dreißig gestern Abend der Letzte, der sich zusammen
     mit Ludger Hamacher im Büro aufhielt«, begann Dreek. Seine Stimme war Unger eine Spur zu schneidend – schließlich war der
     junge Mann mit dem weichen, fast mädchenhaften Gesicht und dem dünnen blonden Haar, der ihnen am Konferenztisch gegenübersaß,
     ein Zeuge, kein Verdächtiger. Noch jedenfalls. »Wann haben Sie das Büro verlassen?«
    Rainer Erling richtete den Bleistift exakt parallel neben seinem Notizblock aus. Er mied den Blickkontakt mit den beiden Polizisten.
     Er schien sich sehr unwohl zu fühlen. Verbarg er etwas?
    »Haben Sie meine Frage nicht verstanden?«
    Erling nickte. Sein Mund bewegte sich, als spreche er mit sich selbst, aber er gab keinen Laut von sich.
    »Soll das heißen, Sie haben die Frage verstanden?«
    Wieder ein Nicken.
    »Warum antworten Sie dann nicht?«
    Erling zuckte mit den Schultern.
    »Herr Erling, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie hier als Zeuge in einem Mordfall …«
    Die Tür des Konferenzraums öffnete sich, und Mary Andresen steckte den Kopf herein. »Ich hatte doch gesagt …«, setzte Unger
     an, aber Andresen unterbrach ihn: »Ich muss Sie dringend kurz sprechen, Herr Kommissar.«
    Er nickte und folgte ihr nach draußen.
    »Ihnen wird Rainer Erlings Verhalten sicher merkwürdig vorkommen«, sagte sie, als sie vor der Tür standen. »Vielleicht benimmt
     er sich sogar verdächtig.«
    Unger nickte.
    |57| »Ich kann Ihnen versichern, dass das nichts mit dem Fall zu tun hat. Rainer ist sicher sehr aufgeregt wegen des Todes von
     Ludger. Er hat sehr an ihm gehangen. In einer Stresssituation tritt das Asperger-Syndrom bei ihm manchmal sehr deutlich zutage.«
    »Das was?«
    »Das Asperger-Syndrom. Eine angeborene Verhaltensauffälligkeit. Man könnte sagen, eine milde Form von Autismus. Aspies, wie
     sie sich selber nennen, haben gewisse Schwierigkeiten, mit anderen Menschen umzugehen. Persönlicher Kontakt ist ihnen unangenehm.«
    »Sie meinen, er ist geistig behindert?«
    Andresen warf ihm einen bösen Blick zu. »Er ist alles andere als ›geistig behindert‹, wie Sie es nennen. Er ist der mit Abstand
     brillanteste Programmierer in unserem Team, vielleicht einer der besten der Welt. Er codiert etwa viermal so schnell wie ein
     normaler Softwareentwickler, und das praktisch fehlerlos. Er hat eben nur gewisse Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen.
     Trotzdem mögen ihn alle hier.« Sie fuhr sich mit einer anmutigen Bewegung durch ihr dichtes rotes Haar. »Ich wollte Sie nur
     bitten, ihn nicht zu sehr unter Druck zu setzen.«
    Unger nickte. »Halten Sie es für möglich, dass er Hamacher ermordet hat? Immerhin war er der Letzte, der ihn lebend gesehen
     hat – außer dem Mörder.«
    Andresen zog die Augenbrauen zusammen. Irgendwie erinnerte ihn ihr sommersprossiges Gesicht an einen Pippi-Langstrumpf-Film
     aus seiner Kindheit. Sie sah ihn an, als sei er der Einbrecher, den sie gleich mit einer Hand durch die Luft wirbeln und dann
     auf dem Schrank absetzen würde.
    »Das halte ich für völlig ausgeschlossen!«, sagte sie. »Rainer hat Ludger geliebt. Er war einer der wenigen Menschen, denen
     Rainer sich geöffnet und denen er voll vertraut hat. Ludger hat Rainers Talent entdeckt, er hat ihn hierher zu D. I. geholt
     und sehr gefördert.«
    |58| »Danke für die Informationen«, sagte der Hauptkommissar und lächelte Andresen zu. Irgendwie wollte er nicht, dass sie sauer
     auf ihn war.
    Sie lächelte zurück. Hatte da etwas aufgeblitzt in ihren grünen Augen? Er drehte sich rasch um und ging zurück in den

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