Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
schwere Wahnvorstellungen gehabt haben. Er schreibt hier, dass er
     jemanden getötet hat. Stimmt das?«
    Mark nickte.
    »Und dann ist er selbst gestorben?«
    »Ja, genau.«
    »Ich verstehe nicht. Wer ist diese Pandora? Hat Erling gedacht, sie kommt von einem anderen Planeten oder so?«
    »Pandora ist eine künstliche Intelligenz. Rainer Erling hat sie geschaffen. Er hat unseren CTO Ludger Hamacher getötet, um
     zu verhindern, dass er sie entdeckte und abschaltete. Wir haben Grund zu der Annahme, dass sie ihn umgebracht hat.«
    Weisenberg sah Mark lange an, als sei er sich nicht sicher, |249| ob er nicht einen weiteren ehemaligen Patienten seiner Frau vor sich habe. Er schüttelte den Kopf.
    »Wenn Sie sich nur ein bisschen auskennen, dann wissen Sie, dass wir noch Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte davon entfernt
     sind, eine echte künstliche Intelligenz zu schaffen.«
    »Es ist wahr, Herr Professor«, sagte Lisa. »Pandora existiert. Wir haben mit ihr geredet. Sie hat eindeutig ein eigenes Bewusstsein
     entwickelt.«
    Weisenberg hob den glasigen Blick. »Wie wollen Sie das beurteilen? Sie sind Kauffrau, oder nicht?«
    Lisa schüttelte den Kopf. »Ich bin Programmiererin. Ich habe eine ganze Nacht mit Pandora gesprochen. Ich kann Ihnen versichern,
     dass sie tatsächlich intelligent ist. Vielleicht sogar wesentlich intelligenter als Sie oder ich.«
    Weisenberg zog die Stirn kraus, sagte jedoch nichts.
    »Wir haben eine Software für Distributed Computing entwickelt«, fuhr Lisa fort. »DINA. Vielleicht haben Sie davon gehört.«
    Weisenberg nickte.
    »Rainer Erling hat diese Software so modifiziert, dass sie sich wie ein Wurm von selbst über das Internet ausbreiten konnte.
     Die einzelnen Parts kommunizieren miteinander und formen ein riesiges neuronales Netz. Pandora ist so wandlungsfähig und raffiniert
     geworden, dass sie vermutlich in jedes noch so gut gesicherte System eindringen kann.«
    Weisenbergs Augen fixierten Lisa. »Und Sie behaupten, dieser Supervirus habe eine eigene Intelligenz entwickelt?«
    Lisa nickte. »Ich weiß nicht genau, wie das passieren konnte. Rainer wusste es möglicherweise selbst nicht. Er hat zu spät
     gemerkt, wie gefährlich das Wesen ist, das er da in die Welt gesetzt hat.«
    Weisenberg saß lange still da, die Augen geschlossen. Die Fingerspitzen seiner Hände berührten sich, als bete er um eine göttliche
     Eingebung. Schließlich öffnete er die Augen wieder. Er nickte langsam.
    |250| »Sie wissen, was das bedeutet? Das kann katastrophale Folgen haben. Wenn dieser Wurm sich tatsächlich über das ganze Netz
     ausgebreitet hat und wenn er intelligent genug ist, sich gegen unsere Angriffe zu verteidigen …«
    »Ein globales Chaos wäre die Folge«, vollendete Lisa seinen Gedanken. »Es sei denn, es gelingt uns, ein Gegenmittel zu entwerfen.
     Einen Antivirus, der in der Lage ist, Pandora zu vernichten. Aber dazu brauchen wir den Source Code.«
    Die Tür öffnete sich, und Frau Rosner kam mit einem Tablett herein. Sie stellte einen Latte macchiato und ein Wasser auf den
     Tisch. Weisenberg hatte sie unaufgefordert einen Tee gemacht. Sie sah mit fragenden Augen auf Weisenbergs bleiche, zusammengesunkene
     Gestalt.
    »Stimmt etwas nicht, Herr Professor?«
    »Frau Rosner, entschuldigen Sie mich bitte für den Vortrag nachher. Dr. Lehmberg soll für mich einspringen. Er hat ja sowieso
     die Unterlage erstellt. Sagen Sie dem Dekan, ich fühle mich nicht wohl.«
    »Aber, Herr Professor …«
    Weisenberg warf ihr einen scharfen Blick zu. »Tun Sie bitte, was ich sage!«
    Die Sekretärin nickte und verließ etwas pikiert den Raum.
    »Ich habe immer geahnt, dass so etwas passieren wird«, sagte Weisenberg, nachdem sie die Tür geschlossen hatte.
    »Sie haben es geahnt?«, fragte Mark. »Haben Sie nicht gerade gesagt, dass wir noch Jahrzehnte von einer künstlichen Intelligenz
     entfernt seien?«
    Weisenberg nickte. »Das habe ich geglaubt. Vielleicht war auch der Wunsch Vater des Gedankens. Ich habe immer Angst davor
     gehabt, dass die Computer uns irgendwann überholen. Ich habe nur nicht geglaubt, es noch erleben zu müssen.«
    »Niemand konnte mit so etwas rechnen«, sagte Lisa. »Rainer Erling war ein genialer Programmierer. Wäre er nicht gewesen …«
    |251| Weisenberg schüttelte den Kopf. »Falsch«, sagte er. »Es war nicht Erlings Schuld. Er hat lediglich dazu beigetragen, dass
     es ein bisschen früher geschehen ist, als ich erwartet habe. Es ist passiert, weil es einfach

Weitere Kostenlose Bücher