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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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wusste, wie ich auf diesen Unsinn kommen konnte, spürte ich, dass sie ihre Berechtigung hatte. Aus welchem Grund auch immer – ich war davon überzeugt, dass mein Vater nur dann aus dieser Welt verschwinden würde, wenn man seinen Körper wie in meinem Traum in fingergroße Stücke zerhackte. Dann – und nur dann – würde er wirklich tot sein. Es wäre meine Bestimmung gewesen, die Welt von diesem Monster zu befreien und ich hasste ihn nun noch mehr, weil er mir zuvor gekommen war.
    »Habe ich dir jemals von meinem Vater erzählt? Von meiner Kindheit?«
    Sie schüttelte langsam den Kopf.
    Ich blickte auf meine Hände, versuchte mich an einem Grinsen. »Wenn ich träume … «, sagte ich ohne meinen Blick abzuwenden, » … erinnert sich mein Gehirn an meine Zeit als kleiner Junge. Diese Zeit war die Hölle auf Erden. Ich wurde geschlagen … gequält … wie ein Tier gehalten.« Jetzt blickte ich Sandra in die Augen. »Mein Vater war ein sadistisches Arschloch … und ein verfluchter Mörder.«
    »Jack … das kann nicht … «
    Ich schüttelte den Kopf. Diesmal wehrte ich mich gegen eine erneute Umarmung. »Hör zu, Sandra. Ich muss alleine sein. Muss mich mit all dem auseinandersetzen, muss herausfinden, was bei dem Brand wirklich geschehen ist .«
    Ich stand auf.
    »Jack … bitte … «
    »Ich melde mich morgen. Versprochen.«
    Sie nickte langsam. Aber ich war überzeugt, sie ahnte, dass sie mich in dieser Nacht zum letzten Mal gesehen hatte.

18
     
    Als ich die Bar an der gegenüberliegenden Straßenseite betrat, war ich davon überzeugt, diesen Ort zu kennen. Zwar waren mir die Theke und die drei Tische mit den filigranen Holzstühlen so fremd wie alles andere auf dieser Welt, doch spürte ich eine Atmosphäre, als wäre ich nach jahrelanger Abwesenheit endlich heimgekehrt.
    Der Barkeeper lächelte mich an, als wäre ich ein guter Bekannter. Da ich diese Option nicht gänzlich ausschloss, lächelte ich zurück. Versuchte es zumindest und bestellte einen Brandy. Allein dieses Wort auszusprechen, ließ mein Herz schneller schlagen. Ich spürte ein aufgeregtes Kribbeln im Unterleib. Wie eine Armee von Riesenameisen krabbelte es durch meinen Magen in die Brust. Ich war überzeugt, nie in meinem Leben ein schöneres Bild gesehen zu haben als diese goldbraune Flüssigkeit, die in langsamen Wellenbewegungen am Rand des Glases entlang glitt. Die perfekte Harmonie der physikalischen Aggregatzustände fest und flüssig . Scheinbar füreinander geschaffen. Beinahe zu schade, sie zu stören.
    Mein Mund trocknete in Sekundenbruchteilen aus. Der Keeper sagte etwas. Aber wie der Rest der Bar verschwamm auch er zu einem undefinierbaren Nebel inmitten einer belanglosen Welt. Es gab nur noch mich und dieses wunderbare Kunstwerk aus geschliffenem Diamant und flüssigem Gold.
    »Bist du dir sicher, Jack?«
    Wie ein Blitz schlug der Satz in mich ein. Glühender Zorn tauchte die Bar in fahles Rot. Der Barkeeper blickte mich mit erhobenen Augenbrauen an. Was wollte dieser Idiot von mir? Es war nicht sein Job, mir irgendwelche Fragen zu stellen. Sein Job war es, mir einen Brandy einzuschenken. Sonst nichts.
    »Jack.«
    Jack. Jack. Jack. Warum war das Glas vor mir leer? Warum hielt dieser Schwachkopf die Flasche mit dem güldenen Elixier in der Hand? Verfluchte Scheiße. Gib mir meine Medizin!
    »Bist du dir sicher, Jack?«
    Ich brüllte: »Ob ich mir sicher bin?« Meine Hand krallte sich um das Glas. Zitternd hielt ich es in seine Richtung. »Verdammt! Was ist so schwer daran, ein Glas Brandy einzuschenken?«
    »Komm schon, Jack. Du weißt genau, was ich meine.«
    »Es ist mir scheißegal, was du meinst! Verfluchter Hurensohn!« Die Lampen spiegelten sich in grellem Rot. Blut schien vom Spiegel in den Raum zu sprühen. Meine andere Hand krallte sich ebenfalls um das Glas. Wie einen Kelch hielt ich es dem Keeper vor die Brust. Er ging einen Schritt zurück, schüttelte den Kopf. »Nein, Jack.«
    Ich brüllte nicht länger. Ich bellte: »Gib! Mir! Meine! Medizin!«
    Mein Körper verkrampfte. Mit hellem Klacken zerbrach das Glas in meinen Fingern. Die Scherben schnitten in die Handflächen, klirrten dann auf die Theke. Ich wischte sie mit dem rechten Unterarm auf den Boden, formte mit meinen Händen ein Gefäß und hielt sie dem Barkeeper wie ein Bettler vor die Brust .
    Dann sah ich diese Szene in blutigem Purpurrot. Ich sitze auf seiner Brust. Die Hände an seiner Kehle. Er röchelt, streckt die Zunge aus dem Mund. Der Kehlkopf

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