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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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Ihre Mutter war einmal mit ihr hier in der Praxis.« Sie schüttelte den Kopf. »Und dann ist ihr Vater gestorben. Für sie war eine Welt zusammengebrochen. Ist ja auch verständlich. Nach diesem Schicksalsschlag .«
    Schicksalsschlag . Wenn es denn nur ein solcher gewesen wäre. Patricia hatte sich selbst verloren, in einer Finsternis, aus der es kein Entkommen gab. Der Tod ihres Vaters hatte alles zerstört, was für den Begriff Liebe stand und hatte damit diese Tür geöffnet. Für das Raubtier. Und die Schlange.
    »Wer ist Eddie?«, fragte ich sie. Die Frage klang schroff. Der Name Eddie wie ein Schimpfwort.
    Sandra hob die Augenbrauen. »Wer?«
    »Eddie. «
    Sie schob die Unterlippe leicht nach vor und schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Wer soll das sein?«
    »Er hat Patricia bedroht. Ich weiß nicht in welcher Art, aber sie hatte furchtbare Angst vor ihm. Patricia hat in ihrem Tagebuch geschrieben, dass du ihr Eddie vorgestellt hast.«
    Sandra starrte mich wieder mit diesem verständnislosen Blick an. Kaum merkbar schüttelte sie den Kopf. » Das stand in dem Tagebuch?«
    Ich nickte.
    »Wie bist du an das Buch gekommen?«
    Ich zuckte mit den Schultern und hob die Augenbrauen.
    »Sorry«, sagte sie. »Hab kurz nicht daran gedacht, dass du dich ja an nichts erinnern kannst.«
    Irgendwie meinte ich, Zynismus in ih ren Worten herauszuhören. Hatte Patricia im Tagebuch gelogen? Falls ja, warum? Meinte sie mit Eddie jemand anderen? Ich konnte Sandras Antwort nicht einordnen. Ich war davon überzeugt gewesen, dass sie diesen Eddie kannte, und vor allem, dass sie Patricias Angst bemerkt haben musste.
    »Ist dir nichts aufgefallen? Hat sie nie etwas gesagt?«
    »Patricia war am Boden zerstört, weil ihr Dad gestorben war. So oft habe ich sie später nicht mehr gesehen. Und dann ist sie ja in den Flammen umgekommen, … « Sie machte eine Pause. Eine Pause, die den Inhalt meines Magens zum Kochen brachte. Sie sagte es nicht, aber ich wusste, was sie dachte.
    »Weil ich sie nicht herausgeholt habe?« Ich spürte den unausgesprochenen Vorwurf, der plötzlich zwischen uns hing wie ein Stacheldrahtzaun.
    Sandra starrte an mir vorbei und schwieg.
    »Hast du mir das nach dem Brand vorgeworfen? Kann es sein, dass ich deswegen die letzten drei Tage nicht auf deine Anrufe reagiert ha be?« Ich stand auf. Zorn stieg in mir hoch . Sandra rührte sich nicht. Nur die Lider blinzelten schnell. Eine Träne rann über ihre rechte Wange.
    »Du warst so anders … «, sagte sie leise. »Du hast nicht darüber reden wollen. Du bist in dieser Nacht einfach fortgegangen. Ohne ein Wort.« Sie streckte ihre Hand nach mir aus. Ich wollte danach greifen, aber meine Arme waren wie vereist. »Am nächsten Tag hast du mich angerufen. Hast mir gesagt, dass sie dir vorwerfen, das Mädchen getötet zu haben und dass du ihnen zeigen wirst, dass sie das mit dir nicht machen können. Ich habe dich gefragt, ob es nicht doch sein könnte, dass du in der Hektik Patricia nicht gesehen hast. Da hast du mich an geschrien … und aufgelegt.« Sie beugte sich vor und griff nach meiner Hand. »Jack, bitte. Es tut mir leid.«
    Ich spürte ihre Finger auf meinem Handrücken, holte tief Luft und ließ sie stoßweise über meine Lippen strömen. Dann umfasste ich ihre Hand und setzte mich auf die Couch. Sie strich zärtlich über meinen Daumen und drückte die Wange gegen meine Schulter. Wieder ließ ich es geschehen.
    »Erzähl mir etwas über mich«, sagte ich leise. »Wer bin ich?«
    »Der Mann, den ich liebe«, flüsterte sie und küsste meinen Oberarm. Auch wenn diese Worte wunderschön klangen – aus irgendeinem Grund vermochten sie nicht zu mir durchzudringen.
    »Meine Eltern … was ist mit ihnen?«
    Sandra schüttelte den Kopf. »Deine Mutter ist vor drei Jahren gestorben. Und dein Vater … « Sie drückte kurz meine Hand.
    »Was ist mit ihm?«
    Sie blickte mich an, als könnte sie nicht glauben, dass ich das vergessen konnte. »Er ist tot. Selbstmord. Er hat sich mit Petroleum übergossen und angezündet.«
    Ich nickte, lächelte dann kopfschüttelnd. Das Arschloch war also tot. Gut. Sehr gut. Und die Art und Weise, wie er seinem Dasein ein Ende gesetzt hatte, konnte besser und schmerzhafter nicht sein. Er hatte also doch eine gute Tat in seinem Leben vollbracht.
    Dennoch war dieser Zweifel in mir. Ich fragte mich, ob ein Feuer ausreichen würde, all das Böse in diesem Menschen zu vernichten. Auch wenn für mich diese Frage absurd schien und ich nicht

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