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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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knackt. Ein letzter verzweifelter Versuch, seine Arme unter meinen Beinen hervorzuziehen. Sein Körper erschlafft. Ich greife nach der Flasche und setze sie an meine spröden Lippen.
    »Schau dich an!«, schrie der Barkeeper. Blut tropfte von meinen Handflächen auf ein Glas, das kopfüber hinter dem Tresen stand. Mein Körper zitterte, Schweißtropfen kribbelten auf der Stirn. Der Barhocker krachte hinter mir auf den Teppich.
    Für eine Sekunde wusste ich nicht, wo ich war, wunderte mich, warum mich dieser Mann mit einer Flasche in der Hand voller Abscheu anstarrte. Erst seine Worte, die er bemüht ruhig zu mir sprach, holten mich wieder in die Gegenwart zurück.
    »Jack, du bist Alkoholiker. Du weißt, was passiert, wenn ich dir diesen Brandy einschenke.«
    Das Wort Alkoholiker verursachte körperlichen Schmerz. Nicht an einer bestimmten Stelle – mein ganzer Körper schien zu brennen, als wäre ich durch einen Schwarm Nesselquallen geschwommen. Obwohl mir klar war, dass dieser Barkeeper die Wahrheit sagte, suchte ich nach einer Erklärung. Vielleicht meinte er einen anderen Jack. Einen anderen Feuerwehrmann, der seine Probleme mit Hilfe hochprozentiger Gesöffe zu vergessen versuchte. Doch meine zerschnittenen Hände, die ich nach wie vor in seine Richtung hielt, sagten mir deutlich, dass ich es war. Ich war der Alkoholiker. Und mein Körper versuchte mit allen Mitteln, einen Tropfen von diesem Brandy in seinen Besitz zu bekommen – als wäre er ein Schatz, den man mit niemandem teilen will. Ja. Mit allen Mitteln. I ch war überzeugt, dass ich diesen Mann getötet hätte, um an die Flasche zu gelangen.
    Mein Atem ging hastig und die Erinnerung an diese Szene schnürte mir den Kehlkopf zu. Ich versuchte mir einzureden, dass ich dem Keeper nichts getan hatte, dass diese Szene nur die Ausgeburt einer körperlichen Entzugserscheinung gewesen war. Doch waren die Bilder in einer Klarheit gemalt, die es mir beinahe unmöglich machte, sie von einer realen Erinnerung zu unterscheiden. Stünde dieser Mann nicht vor mir – ich wäre davon überzeugt gewesen, ihm das Leben aus dem Körper gequetscht zu haben.
    »Jack … «
    Ich zuckte, als hätte mein Name einen Stromstoß in mir ausgelöst. Langsam zog ich die Hände zurück und starrte auf die Handflächen. Dann auf die Scherben auf dem Teppich. Die Schnitte schmerzten. Blut tropfte auf die Theke. Und ich spürte Angst. Angst, vor dem, was ich diesem Mann beinahe angetan hätte. Vor dem, was diese Su cht aus mir gemacht hatte. V or allem fürchtete ich mich vor der Antwort auf die Frage: Zu welchen Handlungen hatte sie mich bereits getrieben?
    Der Barkeeper blickte zur Eingangstür. Ich hatte Polizisten erwartet. Sie würden mich wegen versuchten Mordes verhaften. Vielleicht hatten sie das Bild in meinem Kopf gesehen und wussten, dass ich ein gefährlicher Mann war, dass ich diesen unschuldigen Menschen getötete hätte – wegen einer Flasche Brandy. Ja, ich hatte es verdient, wie ein wildes Tier weggesperrt zu werden. Ohne Zweifel.
    Aber in der Tür standen keine Polizisten. Ein Mann blickte mich an. Kurzes , tiefschwarzes Haar. Buschige Augenbrauen über dunklen Augen. Er trug ein weißes T-Shirt, das über die Jeans hing. Der linke Oberarm war tätowiert, aber ich konnte im schummrigen Licht nicht erkennen, welches Motiv man ihm gestochen hatte. Seine Statur war sportlich. Seiner Oberarme ließen die Kraft erahnen, die in diesem Körper steckte.
    Er wandte den Kopf zum Barkeeper und hob die Augenbrauen.
    Der Keeper nickte und schien innerlich aufzuatmen. »Hallo Dave«, sagte er und stellte den Brandy in das Regal vor der Spiegelwand. Dann verschwand er in einem Hinterzimmer. Ich hörte ein blechernes Klacken. Kurz darauf stand er wieder hinter der Theke, ein weißes Päckchen in der Hand.
    Dave kam auf mich zu, stellte sich neben mich und blickte auf meine Hände. »Scheiße«, murmelte er und klopfte gegen meine Schulter. »Ich fahr dich heim«, sagte er. »Okay?« Er legte einen Zwanzig- Dollar - Schein auf die Theke und nickte dem Barkeeper zu.
    »Schon gut«, sagte der und schob den Geldschein in Daves Richtung zurück. »Ist ja nichts passiert.« Er legte das Päckchen auf den Tresen.
    »Danke, Bob.« Dave steckte den Schein in die Hosentasche und riss das Päckchen auf. Er wickelte ein weißes Tuch auseinander und riss es in der Mitte durch. Dann verband er meine Hände. Die geschickten Bewegungen seiner Finger erweckten den Eindruck , er hätte das schon oft

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