Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
es stimmte, dieser Aleander war über Jahre hin der Fluch der Familie van Berck gewesen. Aber war er als Enoch von Newgate nicht auch ihr Segen gewesen?
Er hatte Cass’ und Samuel zusammengebracht – mit Scheyfves Hilfe zugegeben –, er hatte Painbody in die Hölle geschickt – mit Samuels Hilfe zugegeben –, und er hatte sogar dazu beigetragen, Maria Tudor auf den Thron zu bringen. Ob das ein Segen oder eine Fluch war, würde die Zeit weisen. Aber eins war klar: Enoch hatte ihm versichert, dass er ein anständiger Kerl war. Was wohl auch stimmte. Ohne den Seher wäre er nie auf die Idee gekommen, dass es so etwas gab wie Engel, schon gar nicht für ihn. Nicht dass er sich dessen jetzt sicher war, schließlich hatte er noch keinen gesehen.
Ohne es zu bemerken, war Nat zum Torhaus geschlendert.
»Küss den Henker, küss den Henker!«, kreischte der Papagei über ihm.
»Ach, halts Maul!« Nat griff sich einen Stein und schleuderte ihn gegen die Mauer. Der Stein verfehlte die Nische und brachte den Vogel nicht zum Schweigen. » Ol sonf , alter Sack, alter Sack!«
»Das heißt ol sonf vorsag , du vorlauter Schnabel. Ol sonf vorsag, goho iad halt, lonsh calz vonpho. « Hurenscheiße! Er hatte sich den Spruch von Cass beibringen lassen und hoffte immer noch, dass der Prophet ihm irgendwann antworten würde. »Ol sonf ...«
»Spiel hier nicht den Propheten!«, schrie der Page. »Hilf mir lieber.«
Nat wirbelte herum. »Was is?« Hinter ihm stand die Bohnenstange. Und das blanke Entsetzen.
»Drei Landsknechte sind mir auf den Fersen! Ich habe mich mit ihrem Trossführer angelegt.«
»Arsch und Gesangbuch! Ich hab doch gesagt, als Bess’ Minnesänger machst du dich zum Narren.«
»Bist du Hellseher?«
»Nee«, Nat grinste, »aber anscheinend bin ich immer noch im Auftrag des Herrn unterwegs.« Er zerrte den Pagen am Umhang in ein finsteres Gässchen. »Da gehts lang.«
ENDE
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N ACHWORT:
»Das Tarot der Engel« geht mit einigen Persönlichkeiten der britischen Geschichte äußerst fiktiv, aber nicht fern aller Tatsachen um. Ein paar Anmerkungen zu Edward VI. und dessen Hof möchte ich nachliefern, um zu weiterer Lektüre anzuregen.
Eingefleischten Fans der Tudor-Geschichte sei zunächst die bislang nur in englischer Sprache erschienene Biographie »Edward VI – The Lost King of England« empfohlen. Der junge britische Historiker Chris Skidmore liefert einen farbigen Einblick in die sechsjährige Regentschaft des Knabenkönigs. Die im »Tarot der Engel« anskizzierten Komplotte und Verschwörungen um den einzigen Sohn von Heinrich VIII lesen sich wie ein Krimiplot. Edwards Leben und Sterben ist ein Lehrstück über politisches Intrigantentum im Stile eines John Dudley und über die Nachwirkungen tyrannischer Machtausübung nach Art eines Heinrich VIII. auf Seele und Gesellschaft.
Die Tudor-Dynastie währte von 1485 bis 1603 und brachte sechs Könige und Königinnen hervor. Zwei von ihnen sind noch heute historische Kultfiguren: König Heinrich VIII. – allgemein bekannt als der Dicke mit den sechs Frauen, von denen er zwei köpfen ließ – und seine Tochter Elisabeth I. –, die sich die jungfräuliche Königin nannte, obwohl schon Zeitgenossen zu Recht bezweifelten, dass sie zeitlebens virgo intakta blieb. Die amourösen Biografien der Tudors faszinieren nicht von ungefähr. Das Schicksal von Dynastien wird schließlich in Betten entschieden: auf Ehelagern genauso wie auf Sterbelagern.
Kurioserweise sind die beiden berühmtesten Vertreter des Tudor-Geschlechts qua Geburt nicht zur direkten Thronfolge bestimmt. Anders als sein Stammhalter Edward kommt Heinrich 1509 anstelle seines mit sechzehn Jahren unerwartet verstorbenen Bruders Arthur an die Macht. Elisabeth übernimmt fünfzig Jahre später die Regierung, obwohl sie erst an dritter Stelle der Erbfolge steht, hinter ihrem Halbbruder Edward und ihrer älteren Halbschwester Maria, der Tochter von Heinrichs erster Frau, der Spanierin Katharina von Aragon.
Sowohl Heinrich als auch Elisabeth ordnen ihr Liebesleben politischen Erwägungen unter.
Zu Lebzeiten hat Heinrich seine beiden Töchter mehrfach zu Bastarden erklären lassen. Eine weibliche Nachfolgerin auf dem Thron wäre – zumindest in England – eine Novität gewesen, zu der weder Heinrich noch seine Untertanen spontan Vertrauen gefasst hätten. Nicht zu Unrecht. Nach dem Brauch der Zeit fällt der Besitz einer Braut an den Mann, im Fall der dynastischen
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