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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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gehüllt war. Dünn wie die Zedernholzglieder der Puppe waren die Arme des Königs durch den zähen Husten. Sie sah ihn oft genug, um das zu wissen. Sir Henry Sidney, Edwards Erster Kammerherr, sorgte dafür. »Ihr tut ihm gut. Eure Gespräche beleben ihn.« Obwohl Sidney ein Schwiegersohn Dudleys war, schien er aufrichtig um den König besorgt zu sein. Beschämt senkte Cass die Lider. Anders als ich.
    Mit einer Entschuldigung hatte zwischen ihr und Edward eine tastende Freundschaft begonnen. Zumindest für ihn.
    »Es tut Uns leid, was mein ... was Unser verstorbener Vater Euch angetan hat«, hatte der Tudor-Erbe an einem Abend mit vom Husten rauer Stimme gesagt. »Am Tag Unserer Volljährigkeit werden Wir Anne Askew zur Märtyrerin des neuen Glaubens erheben.« Eine Ehre, an der Cass so wenig lag wie an Jane Greys kindlicher Verklärung des qualvollen Sterbens.
    Dankenswerterweise fiel Jane Greys Name nur noch selten zwischen ihr und dem König, Gedanken an sein Testament und damit an den eigenen Tod schienen Edward wenig erbaulich zu sein. Cass hoffte aufrichtig, dass er gesunden würde und dass sich Dudleys Pläne als unnötig erweisen würden, auch wenn sie sie widerwillig gutheißen musste. Alles war besser als Maria Tudor auf dem Thron, und der junge Herrscher hatte sich rasch bereit gefunden, die Thronfolge zu ändern.
    »Käme sie an die Macht«, hatte er befunden, »würden in England bald wieder mehr Menschen als Kerzen brennen. Sie kann ihr spanisches Blut nicht verhehlen und hat die Reform unseres Vaters immer bekämpft.« Edward verabscheute Spaniens Inquisition und, wichtiger noch – er wollte regieren.
    Cass straffte den Rücken. Nein, was sie tat, war kein Betrug. An niemandem. Schließlich diente sie dem Tudor-Erben nicht im Bett, sondern als heimliche Gefährtin für religiöse Dispute, die er mit seinen Lehrern und Höflingen nicht zu führen wagte. Edward nannte sie die Stimme seines Volkes, die er hören wollte. In ihrer Gegenwart schmiedete er mit Eifer Pläne für sein Reich Gottes auf Erden, in dem Barmherzigkeit Gesetz sein würde und man wieder über den Glauben diskutieren könne.
    Selbst wenn er später nur einen Bruchteil von dem verwirklichen konnte, was er sich leidenschaftlich ausmalte, würde er ein großer König sein.
    Rasch wandte Cass den Blick von der bunten Schneiderpuppe ab, die wie zum Hohn an ein Skelett erinnerte. Unsinn! Auch Edwards verstorbener Vater Heinrich, so hieß es, war in jungen Jahren schmal gewesen. Edwards wachsbleiche Haut war genau wie sein schütteres erdbeerrotes Haar ein Erbteil, das er mit seiner neunzehnjährigen Halbschwester Elisabeth teilte. Und die war zäh wie Ziegenleder.
    Als wolle er ihre Gedanken bekräftigen, nahm Dupois sein Lamento wieder auf.
    »Der junge Tudor hat schon viele Krankheiten überstanden. Die kritischen Jahre liegen hinter ihm, genau wie die kleinen Pocken im vergangenen Jahr. Ein Husten sollte ihn nicht von einem Fest abhalten. Krank, pah! Sagt man darum das Maiturnier mit fünfhundert Gästen ab?«
    In Gedanken reihte er wieder die nicht geschneiderten Kostbarkeiten aneinander: Banner, Wimpel, Baldachine, ja sogar die Pferdeschabracken, die weit unter seiner Würde lagen. Immer noch besser, als gar nichts zu schneidern. Es war eine Katastrophe, unter diesem Knabenkönig zu arbeiten. Selbst die vornehmsten Damen wurden nachlässig, weil Edward dunklen Taft bei Frauen vorzog. Dem Allmächtigen sei Dank, dass wenigstens de Selve, der ihn überredet hatte, ihn an den Tudor-Hof zu begleiten, einige Frauen zu mehr Mühe hinriss.
    Nur diese Cass nicht! Warum der Marquis Gefallen an dieser Betschwester fand, blieb dem Schneider ein Rätsel. Pah, er, François Dupois, würde es lösen. Mit Nadel und Faden. Mit wieder erwachtem Elan steckte er die Schnürbrust ab. Bon. Das Kind hatte einen schmiegsamen Leib. Die schmalen Hüften würde der Reifrock kaschieren, die gepolsterten Schleppärmel des Oberkleides würden ihr reizend stehen, das Dekolleté den schlanken Hals entblößen und ... Sein Blick prallte an Cass’ Haube ab.
    Dupois schüttelte angewidert den Kopf. »Diese plumpe Kopftracht ist unverzeihlich! Wie eine Dachtraufe hängt Euch das Scheusal in die Stirn. Setzt sie endlich einmal ab.«
    Cass hob abwehrend die Hände. Tarnung war wichtiger denn je. Modische Veränderungen wurden bei Hof ebenso sorgsam registriert und entschlüsselt wie die codierten Nachrichten von Diplomaten und Spitzeln. »Mein Lord Dudley besteht

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