Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
fünfzehn ...«
»Seine Urgroßmutter heiratete mit zwölf und gebar . Edwards Großvater mit dreizehn! Die Tudors waren nie zimperlich, wenn es um den Fortbestand ihrer Dynastie ging.«
»Für was hältst du mich, ich bin viel zu gering.«
»Vraiment, aber Edward ist ein junger Mann, er wird Bedürfnisse haben.«
»Für diesen König wäre allein der Gedanke an so etwas Sünde ... Er hat mich noch nie berührt. Wenn du wüsstest ...«
Touché!
»Ma petite! Ich will es ja wissen. Alles. Versteh meine Wut, meine Befürchtungen, meinen Zweifel! Deine Brüste runden sich mit jedem Tag mehr. Dein Gang ist geschmeidiger geworden. Ich sehe mit Vergnügen und Besorgnis, dass einige Höflinge sich inzwischen nach dir umdrehen. Ein Sekretär der Spanier verfolgt dich seit Wochen mit Blicken, sobald du mit Lady Margarets Damen einen Empfangssaal betrittst.«
Nicht deshalb, dachte Cass erbittert.
»Ah, wenn er ahnen könnte, welche Wonnen du zu schenken vermagst! Du bist kein unscheinbares Mädchen mehr, du bist eine Frau. Ich will, dass du nur mir gehörst und dass es zwischen uns keine Geheimnisse gibt, kein Netz aus Lügen, in dem bei Hof alles verfangen ist. Sage mir endlich die Wahrheit!«
Cass schluckte. Konnte er ahnen, wie sehr sie sich gerade danach sehnte? Bei Gott, der Zeitpunkt war gekommen, Antoine war ihr so nah.
»Ich gehöre dir schon ganz, nichts wird uns je trennen ...«, flüsterte sie. »Ich glaube, ich bekomme ein Kind von dir!«
De Selve schnellte nach oben. Sein Leib straffte sich wie eine frisch gespannte Bogensehne.
»Ein Kind? Von mir? Unmöglich!«
Verletzt biss Cass sich auf die Lippen. »Von wem sollte es sonst sein?«
»Wir haben nur ein einziges Mal ...! Impossible.«
»Gott hat es möglich gemacht. Freut es dich nicht?« Schwach setzte sie hinzu: »Deutschlands Luther schreibt: Frauen werden mit der Mutterschaft zum Werkzeug Gottes.«
»Lass das Glaubensgeschwätz. Wie konntest du das geschehen lassen?«, zürnte Antoine. »Jede hergelaufene Hofdame weiß sich zu schützen. Ich habe dir Kräuter und einen polierten Onyx gegeben, mit dem du deinen Unterleib verschließen solltest gegen die Empfängnis. Verflucht, hast du ihn nicht genutzt?«
Cass schüttelte den Kopf. »Ich hatte Angst. Ich wusste nicht, wie man mit solch einem Stein verfährt, und es ist Sünde, sich selbst an diesem Ort zu berühren ...«
»Aber du unbedarfte Närrin willst wissen, dass du schwanger bist und dass ich der Vater des Kindes bin?«
»Antoine, unsere Liebe ist gesegnet. Versteh doch! Fühlst du nicht, dass nur du der Vater sein kannst?«
Sie sah, dass de Selves Hände sich zu Fäusten verschlossen.
»Das kann kein Mann wissen«, sagte er schroff.
»Aber ich weiß es! Ich weiß es! Freut es dich denn garnicht? «, fragte Cass.
»Welcher Dummkopf würde sich über sein Todesurteil freuen?«
14.
L ONDON B RIDGE, DAS H AUS VAN B ERCK
UM DIESELBE S TUNDE
Blut!
Verärgert hob Lambert van Berck den Kopf und spähte zum Fenster seines Schreibkontors. Die Bleiverglasung klirrte. Das Herandonnern galoppierender Pferdehufe erschütterte die London Bridge und hatte ihn aufschrecken lassen, während er eine Schreibfeder zuschnitt. Stirnrunzelnd legte der Fernhändler Federmesser und Kiel zur Seite und saugte an seinem blutenden Daumen. Ein Stockwerk tiefer jagte eine Reiterkavalkade durch die nachtdunkle Gasse, die zwischen den dicht stehenden Brückenhäusern verlief.
Funken schlugen aus dem Pflaster. Bettler und herumlungernde Landsknechte sprangen in den Hauseingängen hoch, für die sie von den Besitzern das Recht auf Bettelei gepachtet hatten. Schlaftrunken erklommen sie Stufen, pressten sich gegen Türen. Nicht selten wurden sie von Edelleuten auf ihren Jagdpferden zwischen den vier- und fünfstöckigen Häusern niedergeritten. Weshalb es regelmäßig mehr Bettler mit zerschlagenen Knochen gab und sich fünf Bader, sowie ein Sargmacher in Lambert van Bercks Nachbarschaft gesunder Einkünfte erfreuten.
Flüchtig wie ein Spuk verschwanden die Reiter in der Dunkelheit in Richtung City. Lambert van Bercks Augen verengten sich zu Schlitzen.
Wer hatte den Trupp um diese Stunde durch das südliche Tor bei Southwark eingelassen? Die Glocken der Brückenkappelle hatten noch nicht einmal vier geschlagen. Die Zugänge waren noch nicht entriegelt, um den alltäglichen Strom von Bauern, Fischweibern, Pastetenbäckern, Gauklern und Kiepenkerlen nach London hineinzulassen und mit ihnen den Lärm des Tages,
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