Das Teehaus im Grünen
müssen uns erlauben, sie zu bezahlen«, bat Lucy. »Vielleicht nicht sofort, aber später. Gefriertruhen sind sehr teuer; man kann sie auch nicht ausleihen. Elektrische Geräte werden nie verliehen.«
Er sah sie von oben herab an. »Es ist nicht mein Wunsch, daß Sie die Anlage kaufen oder ausleihen. Sie soll nur in das Haus zurückgebracht werden, für das sie ursprünglich gedacht war.«
»Aber das geht doch nicht«, fuhr Vicky dazwischen. »Wir müssen schon etwas dafür bezahlen.«
»Das kann ich sicher selbst am besten beurteilen«, entgegnete er kühl. »Wo es jetzt steht, ist das Ding zu nichts nütze, und für gebrauchte Elektrogeräte bekommt man nicht viel. Ich hätte die Truhe gern aus dem Weg; sie ist viel zu groß für meine kleine Küche. In Ihre paßt sie.« Und als ob er bange wäre vor weiteren Ausbrüchen der Freude, bedankte er sich für den Tee und erhob sich. Er habe heute abend keine Zeit, um sie in die Buchhaltung einzuweisen, sagte er zu Lucy. Sie solle nur alle Rechnungen gut aufheben; gegen Ende der Woche würde er dann noch mal vorbeikommen. Höflich wünschte er ihnen einen guten Abend und verschwand.
Vicky sah der hohen Gestalt nach, die mit langen Schritten zur Ausfahrt eilte. »Heute abend ging unser guter James doch ein bißchen aus sich heraus. Aber irgend etwas hat ihn erschreckt, und er zog sich wieder in sein Schneckenhaus zurück.«
»Mit einer Schnecke hat er wenig Ähnlichkeit! Aber das mit der Tiefkühltruhe ist doch wunderbar! Das löst viele Probleme.«
»Ja, es ist famos, aber ich wünschte...«
»Was denn? Daß wir sie bezahlen könnten? Das wünschte ich auch.«
»Nein, das meine ich nicht. Ich glaube nicht, daß Mr. Seymour in schlechten Verhältnissen lebt. Außerdem bin ich längst nicht so redlich wie du. Ich möchte unser sauer verdientes Geld nicht in eine solche Anschaffung hineinstecken. Ich wünschte, er wäre ein bißchen liebenswürdiger.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß James Seymour irgend etwas liebenswürdig tut oder sagt. Wenn es dir darum geht, mußt du dich an Dan Ireland halten.«
»Wenn man den Teufel nennt...«, raunte Vicky, denn in diesem Augenblick sprang Dan leichtfüßig die Stufen herauf.
Er begrüßte sie aufs herzlichste. »Ich lag ja schon auf der Lauer«, erzählte er. »Ich sah den Wagen vom alten Seymour und verdrückte mich um die Ecke. Er kam doch nicht etwa, um schon seine Zinsen einzutreiben?«
»Ganz im Gegenteil!« versetzte Lucy schnell. »Er hat uns gerade seine Tiefkühltruhe angeboten, und das, nachdem er doch erst das Haus hat anstreichen lassen. Er ist wirklich äußerst nett und großzügig-«
Dan schnitt eine Grimasse. »Wirklich? Na, er kann sich’s leisten. Irgend jemand hat erzählt, das Ding stünde an der Hintertür und wäre nicht einmal angeschlossen.«
»Er hätte die Truhe auch verkaufen können«, fand Vicky. »Dan, er ist wirklich kein böser Mensch! Wenn er nur ein wenig heiterer wäre und gelegentlich auch einmal lächeln würde! Ich will ihn auch wirklich nie mehr schlechtmachen. Lucy hat recht, er war sehr nett zu uns.«
»Warum nicht? Seymour ist auch nur ein Mensch, und Sie haben ihn sicherlich sehr liebevoll angelächelt, Vicky. Das lohnt sich. Er ist an so etwas nicht gewöhnt. Die Mädchen laufen davon, wenn sie ihn nur von weitem sehen. Da ist es kein Wunder, daß er euch eine Gefriertruhe schenkt. Die könnt ihr getrost annehmen.«
Vicky runzelte die Stirn. »Sie können ihn wohl nicht ausstehen? Hatten Sie Streit mit ihm, als Sie die Stellung aufgaben?«
»Mit so einem Menschen kann man gar nicht streiten. Der allmächtige Mr. Seymour schaut von seiner Höhe herunter, macht eine bissige Bemerkung und stakst davon. So kann man sich eben benehmen, wenn man ein gutes Einkommen und eine blendende Praxis hat.«
Die Erbitterung in seiner Stimme war nicht zu überhören, und Lucy sagte besänftigend: »Hört doch auf zu streiten, ihr beiden! Ich koche jetzt zur Abwechslung einen Kaffee. Mir ist, als hätten wir den ganzen Tag nur von Tee gelebt. Und heute wollen wir uns ausnahmsweise keine Arbeit mit dem Essen machen.«
»Da braucht man, glaube ich, keine Angst zu haben. Mädchen wie ihr leben immer nur von Tee und Zigaretten.«
»Wir nicht. Jeden Abend um sechs Uhr dreißig gibt’s ein richtiges warmes Essen. Es hat keinen Sinn, von Ohnmachtshappen zu leben.«
Er blieb da und half eifrig beim Aufräumen der Teestube und beim Abtrocknen des Geschirrs. An diesem Abend ging er nicht
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