Das Teehaus im Grünen
Schild; die Mädchen hielten den Atem an.
»Das müßte das Haus sein, von dem wir in der Zeitung gelesen haben. Das könnten wir uns einmal anschauen.«
Vicky lief davon, um frischen Tee aufzubrühen, während Lucy entzückt die sechsköpfige Gesellschaft musterte, die die Auffahrt heraufkam; zwei Kinder waren auch dabei.
»Komisches altes Haus. Möchte wohl wissen, wer hier wohnt. Es muß ihnen ziemlich schlecht gehen, daß sie einen Tea-Room draus machen.«
Es waren offenbar recht kritische Leute. »Haben Sie kein Eis für die Kinder?«
»Tut mir leid, das führen wir noch nicht«, sagte Lucy höflich.
»Aber wir haben kühle Säfte und Limonade, wenn sie das mögen.«
Geringschätzig musterten sie die wenig umfangreiche Speise- und Getränkekarte. »Aber das ist wahrscheinlich besser für unsere Linie«, meinte die eine Frau. Vicky brachte die Bestellung und meinte liebenswürdig: »Das sagen viele. Aber Sie sind ja zum Glück nicht so stark, daß Sie sich darüber Gedanken machen müßten.«
Der Frau, die zweifellos Übergewicht hatte, tat das wohl.
»Ach, es schmeckt wirklich alles sehr gut«, stellte sie fest. »Diese Cremetorten hat man doch schon über. Selbstgebackene Sachen sind mal eine Abwechslung und auch viel gesünder.« Als sie schließlich gingen, waren sie alle recht vergnügt.
Als der Wagen abfuhr, lachte Lucy. »Du hast ihr ganz schon Honig um den Mund geschmiert! Die Frau wollte grade anfangen zu meckern, da nahmst du ihr den Wind aus den Segeln.«
»Ist das nicht die beste Methode? Sie war ja auch nicht so furchtbar fett. Sie hat nur ein paar Pfundchen zuviel.«
Am Nachmittag kam niemand mehr, und die achtzehn Pastetchen waren immer noch da. Aber kurz nach fünf Uhr hielt ein großer Lastwagen vor dem Tor, und hieraus sprangen die Bauarbeiter in bester Stimmung.
»Na, wie geht das Geschäft? Prima oder miserabel?«
»Habt ihr noch ein bißchen Futter für ein paar hungrige Männer?«
»Wie wär’s mit ein paar Pastetchen?«
Sie hatten sich schon ganz gut angefreundet. Die Mädchen hatten sie in der Zwischenzeit öfters gesehen, und mehr als einmal hatten sie auf dem Heimweg gehalten, um sich von den Fortschritten zu überzeugen und ein fabelhaftes Geschäft zu prophezeien. Heute wollten sie nun den fertigen Tea-Room sehen und »sich an den Resten gütlich tun«, wie Vicky sagte. Sie lächelte ihnen zu.
Vicky war der Liebling aller und kannte schon die Geschichte der meisten Männer.
»Sid hat eine sehr zarte Frau«, erzählte sie Lucy später. »Er will nicht, daß sie sich mit dem Backen soviel Arbeit macht; er möchte Pasteten und Kuchen auf dem Heimweg mitnehmen.«
Ned hatte sechs Kinder und eine Frau, die bis fünf Uhr zur Arbeit ging; er würde gern kleines Gebäck für die vielen hungrigen Mäuler mit nach Hause nehmen.
»Ein Segen! Schon bei dem Gedanken an die vielen Kohlehydrate kam ich mir wie eine gestopfte Gans vor«, seufzte Lucy.
Harry Kelston war der Polier; betrübt wünschte er, seine Mutter würde solche einfachen Sachen mögen; es sähe alles so verlockend aus. Vicky berichtete Lucy später: »Armer Harry! Mit seiner alten Mama macht er viel durch. Sie lebt sonst in der Stadt, zusammen mit einer Haushälterin, die ihr sehr zugetan ist. Aber die hat sich kürzlich operieren lassen müssen. Mrs. Kelston hat darauf bestanden, sie drei Monate in Urlaub zu schicken und für diese Zeit zu Harry zu kommen. Sie ist leider furchtbar schwierig, besonders mit dein Essen.«
»Das ist unangenehm in einer Pension. Wie werden sie denn dort mit ihr fertig?«
»Sie sind wütend auf sie; Harry hat Angst, daß sie sie rauswerfen, und ihre Haushälterin braucht erst in etwa drei Wochen zurückzukommen. Er weiß einfach nicht, was er machen soll.«
»Armer Kerl! Kein Wunder, daß er so bekümmert aussieht. Ist er denn nicht verheiratet?«
»Er war’s. Seine Frau ist vor fünf Jahren gestorben. Sie hatten keine Kinder, deshalb wohnt er jetzt in der Pension. Man ist da sehr nett zu ihm, und er möchte keinen Ärger haben.«
»Du weißt eine Menge von all den Leuten! Ich habe sie doch fast ebenso oft gesehen wie du, und ich habe nicht einmal gewußt, daß Kelston noch eine Mutter hat, geschweige denn, daß seine Frau tot ist. Sid und Ned haben mir noch nie von ihrer Familie berichtet.«
»Ach, weißt du, die Leute erzählen gern von sich.«
»Ja, dir, aber nicht mir. Wie bringst du das nur fertig?«
»Das weiß ich auch nicht. Ich tue eigentlich gar nichts. Aber
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