Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
kurzgeschnittenen blonden Haaren, nun
drei Wochen oder drei Monate im Amt bleiben würde. Mehr als drei Monate aber
hatte ihr keiner gegeben. Inzwischen waren es fast fünfzehn Jahre, und der Job
machte ihr nach wie vor großen Spaß. Eigentlich hatte es nie größere Probleme
gegeben. Hier und da mal eine böse Quetschung, als sie von einem Ochsen an der
Stallwand fast zermalmt worden wäre oder im Laufstall ausgerutscht und von ein
paar Kühen überrannt worden war. Und dann war da der Unfall gewesen, als sie
mitten in der Nacht bei eisglatter Fahrbahn von der Straße abgekommen war und
drei Wochen im Krankenhaus und dann noch mal drei in der Reha verbracht hatte.
Ja, solche Sachen kamen vor, gehörten aber zum Berufsrisiko einer
Landtierärztin.
Nun aber war etwas in ihr Leben
getreten, das sie nicht mehr beherrschen konnte. Und das machte sie verrückt
und hatte ihr, zusätzlich zu den sowieso schon durchwachten Nächten, in denen
sie Dienst hatte, schon so manche schlaflose Nacht beschert. Nie im Leben hätte
sie damit gerechnet, dass sie diese Geschichte wieder einholen würde. Sie war
doch schon so lange her. Sie war schlicht in Panik geraten, als dieser
verdammte Lübbo Krayenborg auf einmal vor ihr gestanden und ihr angedroht
hatte, die Sache von damals öffentlich zu machen, wenn sie ihn nicht dabei
unterstützen würde, den Canhuser Bauer Eike Diekhoff in den Ruin zu treiben.
Dabei hatte sie von seinem Vorgehen damals gar nichts gewusst. Dieser
hinterhältige Schuft hatte das Geheimnis all die Jahre für sich behalten, um es
jetzt, nach mehr als zehn Jahren, wieder an die Luft zu kramen.
Sie war sich sicher, dass sie in
dieser Angelegenheit nicht die Einzige war, die er versuchte zu erpressen.
Lübbo war in viel zu viele dreckige Machenschaften verstrickt, als dass es so
sein könnte. Mit seiner zunächst sehr charmanten Art verstand er es, die Leute,
von denen er etwas wollte, um den Finger zu wickeln, sie zu irgendwelchen
zwielichtigen Taten anzustacheln und sie hinterher, irgendwann, wenn keiner
damit rechnete, wieder damit zu konfrontieren. Ja, er war ein Schwein. Ein
widerwärtiges Schwein. Obwohl, mit dieser Einordnung Lübbo Krayenborgs in ihre
Gattung tat sie diesen sensiblen und possierlichen Tieren eigentlich unrecht.
Und dann war da noch der ewige Mitläufer, sein Vasall, sein bedingungsloser
Sklave Johann Schepker. Der Dummkopf war inzwischen so in die Abscheulichkeiten
seines Gurus Lübbo mit eingebunden, dass er gar nicht mehr anders konnte, als
alle weiteren Widerwärtigkeiten nicht nur mitzutragen, sondern sogar aktiv zu
unterstützen.
Fenna tat ihr leid. Ja, die arme
Frau hatte zeitlebens die A-Karte gehabt. Nicht nur hatte sie die Launen und
Wutausbrüche ihres Gatten ertragen und sich von ihm misshandeln und ausbeuten
lassen müssen. Nein, er hatte sie auch nach Strich und Faden betrogen - und
sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, es vor ihr geheim zu halten. Man munkelte,
er habe außer seinen drei ehelichen Kindern auch noch diverse Bastarde überall
in der Krummhörn herumlaufen. Auch in Canhusen gab es einen jungen Mann, der
ihm auffallend ähnlich sah, angeblich aber mit ihm absolut nichts zu tun hatte.
Nun ja, das ging sie ja alles nichts an, diese Probleme sollten diejenigen
lösen, die sie sich selbst eingebrockt hatten. Sie, Luise, hatte mit ihrem
Problem, das Lübbo Krayenborg ihr vor wenigen Tagen genüsslich grinsend
aufgetischt hatte, genug zu tun. Noch hatte sie ihn hinhalten können, diesen
Widerling. Aber ihr Gefühl sagte ihr, dass sich das bald ändern würde.
Erst gestern Abend war sie bei
Eike Diekhoff auf dem Hof gewesen und hatte eine Kuh behandelt, der ein
eitriges Geschwür am Bein zu schaffen machte. Eike hatte ihr von seinem Leid
erzählt und von seinem Verdacht, dass Lübbo Krayenborg ihn vernichten wolle. Er
hatte angekündigt, ihn am nächsten Tag, also heute, bei der Polizei anzuzeigen.
Endlich mal einer, der den Mumm hat, sich zu wehren, hatte sie gedacht, als sie
verlegen neben ihm gestanden und sich nicht getraut hatte zu sagen, dass er mit
seinem Verdacht recht hatte. Zufällig war auch der neue Nachbar von Eike,
dieser Jan Scherrmann, dabei gewesen, weil er angeblich einen Anwalt gefunden
hatte, der Eike in der Sache vertreten würde. Ein sympathischer Typ. Nicht mehr
ganz frisch – er musste so Anfang sechzig sein, war ja wohl auch schon im
Ruhestand – aber sympathisch. Angeblich hatte er erst am Mittag mit Eike über
den Fall gesprochen,
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